Neonazis eingekesselt

Nach Übergriffen auf Passanten am Vorabend der Schließung des Szene-Ladens „Odin + Freya“ am Freitagabend bringen Polizei-Mannschaftswagen Rechte vor Gegendemonstranten in Sicherheit

von ANDREAS SPEIT

Barrikaden versperrten am frühen Samstagmorgen die Straße. Mehrere Baugitter und ein Dixie-Klo lagen auf der Kreuzung Simon-von-Utrecht-Straße/Talstraße. Polizisten stürmten vor, um die Straße für zwei Mannschaftswagen frei zu machen. „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ schallte ihnen entgegen. Steine und Flaschen flogen. Eng zusammengedrückt warteten 50 Neonazis derweil darauf, in kleinen Polizeibussen abfahren zu können.

Am späten Freitagnachmittag waren sie zu der Abschiedsparty des rechten Szeneladens „Odin + Freya“ in der Talstraße 17 erschienen, der am Samstag endgültig schließen musste. Schon seit 17 Uhr war am Freitag Rechtsrockmusik aus dem Geschäft gedrungen. „Todesstrafe für Kinderschänder“, meinte ein Anwohner gehört zu haben. Denn die Rechten wollten an diesem Tag in dem von Volker Fuchs geführten Laden nicht nur Szenekleidung kaufen. Sie blieben, um bei Bier und Musik zu feiern. Unter ihnen Aktivisten aus der Szene zwischen NPD und Freien Kameradschaften wie Thorsten de Vries und Alexander Hohensee.

Später am Abend, erzählt eine Kiezbesucherin, „haben die Nazis Leute angegriffen“. Zufällig vorbeikommende Jugendliche, auf deren Bekleidung St.-Pauli- oder Antifa-Slogans prangten, waren Ziel der Übergriffe. „Die Nazis haben die Jugendlichen regelrecht gejagt“, erzählt ein anderer Kneipengänger. Eine Hundertschaft der Polizei war daraufhin in die Talstraße abkommandiert worden. „Wir hatten vorher keine Hinweise“, berichtet der Polizeieinsatzleiter leicht verstimmt.

Dass die Neonazis am Tag vor der Schließung des Ladens „feiern“ würden, war zu erwarten gewesen. Doch das Polizeiaufgebot an diesem Freitag reichte nicht: Immer mehr Demonstranten fanden sich an den Sperren Ecke Reeperbahn/Simon-von-Utrecht-Straße ein. Stundenlang passierte nichts. Vor dem Laden soffen und grölten derweil die Rechten weiter. Am frühen Samstagmorgen warteten schon rund 200 Demonstranten und Passanten auf die Rechten. Besorgt versuchte die Polizei Verstärkung herbeizurufen. Aber nur zehn weitere Beamte von der Davidwache kamen.

Um 2 Uhr sollten die Rechten schließlich mit der S-Bahn weggebracht werden. Aber: „Zu viele Demonstranten“, befand die Polizei. Längst mussten die Neonazis, die immer aggressiver wurden, vor dem geschlossenen Laden ausharren. Weil sie außerdem provozierten, kreiste die Polizei sie ein. Die Rechten schlugen nun auf die Beamten ein. Um 3.30 Uhr wies die Polizei die Neonazis an, in die inzwischen bereitgestellten Mannschaftswagen zu steigen. Nachdem die Rechten von der Polizei weggebracht waren, kam es zu Auseinandersetzungen mit den Gegendemonstranten, die Müllcontainer angezündeten. Vier von ihnen wurden festgenommen.

Gegen den im Mai 2005 von Volker Fuchs eröffneten Laden „Odin + Freya“ hatte es seit langem Proteste gegeben. Hausbewohner hatten sich bei der Verwaltung über die „im Erdgeschoss gelebte menschenverachtende Weltanschauung“ beschwert. Regelmäßig waren zudem vor dem Laden Passanten und Anwohner bedroht und angegriffen worden. Die Grundstücksverwaltung hatte den Betreibern daraufhin zum 30. September dieses Jahres gekündigt.