Nationalparteien in Bosnien geschlagen

Nach einem harten Wahlkampf sind die alten Parteien bei allen drei Volksgruppen die Verlierer. Nichtnationalistische Kräfte erringen Achtungserfolge. Doch im Staatspräsidium sitzen künftig mit Silajdžić und Dodik Vertreter harter Positionen

AUS SARAJEVO ERICH RATHFELDER

Die alten Nationalparteien sind bei den Wahlen in Bosnien und Herzegowina geschlagen worden. Das ist die wichtigste Botschaft der am Sonntag abgehaltenen Wahlen für die Parlamente und die Präsidentschaft des Landes. Dagegen haben die Sozialdemokraten beider Teilstaaten, der bosniakisch-kroatischen Föderation und der serbischen Teilrepublik, erheblich zulegen können. Mit dem Sozialdemokraten und kroatischen Bosnier Željko Komšić wurde erstmals ein ausgewiesener Fürsprecher einer nichtnationalistisch ausgerichteten Politik in das dreiköpfige Staatspräsidium gewählt.

Gewinner der Wahl sind aber vor allem zwei Persönlichkeiten, die künftig die größte politische Rolle in Bosnien und Herzegowina spielen werden: Bei den Muslimen ist es der Premierminister während des Krieges und Vorsitzende der „Partei für Bosnien und Herzegowina“ (SBiH), Haris Silajdžić, und bei den Serben der Vorsitzende der serbischen Sozialdemokraten, Milorad Dodik. Beiden, Silajdžić wie Dodik, gelang es, während des Wahlkampfes viele Stimmen aus dem Lager der bisherigen Nationalparteien ihrer Volksgruppen zu gewinnen.

Der wieder in die Politik zurückgekehrte Silajdžić errang bei seiner Kandidatur für die dreiköpfige Präsidentschaft auf Anhieb 62 Prozent der bosniakisch-muslimischen Stimmen. Die bisher führende Nationalpartei SDA blieb zwar stärkste Kraft bei den Muslimen, verlor jedoch in den großen Städten erhebliche Anteile an die Silajdžić-Partei und die Sozialdemokraten ( SDP).

Die serbischen Sozialdemokraten Dodiks ( SNSD) erreichten mit über 50 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im Parlament der serbischen Teilrepublik. Die bisher stärkste serbische Partei in Bosnien, die ehemals von Radovan Karadžić geführte SDS, erhielt nur knapp 30 Prozent. Mit Nebojša Radmanović vertritt ein serbischer Sozialdemokrat künftig seine Volksgruppe in der Präsidentschaft.

Auch bei den Kroaten hat sich das Wahlverhalten differenziert. Die ehemals führende Nationalpartei HDZ spaltete sich in zwei etwa gleich große Parteien auf, die rechtsnationale HDZ und die von der Kirche unterstützte HDZ-1990. Es konkurrierten fünf Parteien um die Stimmen der Kroaten, was bei den Präsidentschaftswahlen dem Sozialdemokraten Želko Komšić zugute kam.

Die Niederlagen der Nationalparteien führt nach Ansicht von diplomatischen Beobachtern noch nicht sofort zum Abbau der Spannungen zwischen den Volksgruppen im Lande. Silajdžić und Dodik vertreten gegensätzliche Standpunkte in Bezug auf die Verfassung des Landes. Silajdžić möchte einen einheitlichen Staat ohne Teilrepubliken. Dodik dagegen hat sogar mit einer Abspaltung der Serbenrepublik von Bosnien und Herzegowina gedroht. „Doch beide sind auch pragmatisch denkende Politiker,“ erklärte der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Christian Schwarz-Schilling, gegenüber der taz. „Sie müssen über kurz oder lang einen Kompromiss finden.“

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