Nutzung für 99 Jahre

WOHNUNGSPOLITIK Das Erbbaurecht ist ein altes Instrument zur Förderung sozialer Zwecke durch die öffentliche Hand. Heute wird es kaum noch genutzt – völlig zu Unrecht

Beim Erbbaurecht bleibt die Kommune Eigentümerin des Grundstücks

VON ROLF NOVY-HUY

Ob sie sich Wohnprojekt oder Baugemeinschaft nennen, Gruppen, die dem Ideal des gemeinschaftlichen Wohnens anhängen, suchen geeignete Grundstücke und Gebäude. Andererseits sind die Kommunen dabei, alle verfügbaren Grundstücke zu verkaufen, um die laufenden Defizite ihrer Haushalte zu decken. Die Regierungsfraktion spricht dabei von Haushaltssanierung, die Opposition vom „Verkauf des Tafelsilbers“.

Ein unlösbarer Gegensatz? Mitnichten! Ein altes Instrument der Wohnungspolitik wird hier viel zu wenig eingesetzt: das Erbbaurecht. Im Jahr 1919 als „Erbbaurechtsverordnung“ gefasst, seit 2007 in „Erbbaurechtsgesetz“ umbenannt, sollte es als Instrument der Bodenpolitik dienen. Doch wird das Erbbaurecht in seiner sozialpolitischen Qualität bis heute vollkommen unterschätzt.

Eine Erklärung mag die in unserem Land herrschende Fixierung auf das Eigentum sein. Der „deutsche Michel“ ist auf das Bodeneigentum fixiert. In anderen Ländern gibt man sich deutlich entspannter und sieht die „Nutzungsmöglichkeit“ im Vordergrund. Beim Erbbaurecht bleibt die Kommune Eigentümerin des Grundstücks. Sie vergibt an den Erbbauberechtigten lediglich das Recht der Nutzung, meist über 99 Jahre. Dafür erhält sie den sogenannten Erbbauzins, den man in der Regel mit etwa 4 Prozent des Bodenwertes berechnet.

Von der öffentlichen Hand wird man heute überwiegend hören, dass die Schuldentilgung, oft auch nur die Schuldenbegrenzung wichtiger sei als die laufenden Einnahmen. Die Verwaltung von Erbbaurechten sei zudem noch sehr arbeits- und damit kostenaufwendig. Dabei sind die Einnahmen aus Erbbauzins aktuell sogar höher als die Kosten eines Kommunaldarlehens.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Kommunen im Moment nicht willens oder in der Lage sind, ein Instrument zu nutzen, das ihnen dauerhafte Einnahmen bescheren könnte und ihnen im Übrigen auch eine stärkere Planungshoheit für die Stadtplanung sichern würde. Auch wenn sie mit dem Erbbaurecht den sozialen Wohnungsbau nicht ersetzen können, schon deshalb, weil sie inzwischen zu viele Grundstücke verkauft haben, verzichten die Kommunen damit unnötigerweise auf Gestaltungsspielräume.

Es gibt aber durchaus Institutionen, die aktiv mit dem Erbbaurecht arbeiten. Neben der Klosterkammer in Hannover gehört auch die Stiftung trias in Hattingen dazu. Die Stiftung trias ist dem Bereich der selbstverwalteten Wohnprojekte zuzuordnen und sucht „einen anderen Umgang mit Grund und Boden“. Sofern die Mittel für Grundstückskäufe eingeworben werden können, kauft die Stiftung Grundstücke und stellt sie Projekten über Erbbaurechtsverträge zur Verfügung. Zum einen ist dadurch der Grundstückspreis über die Vertragslaufzeit, meist 99 Jahre, „eingefroren“, zum anderen fließen die Erlöse der Allgemeinheit zu.

Satzungsgemäß hat die Stiftung trias festgelegt, dass Grundstücke von ihr nicht mehr verkauft werden dürfen, weil dies einen spekulativen Akt darstellt und die Bodenpreise verteuert. Über die Zweckbindung der Verträge kann erreicht werden, dass die Grundstücke für ihre ursprüngliche Intention, zum Beispiel Mehrgenerationenhäuser oder Frauenwohnen, gesichert werden. In acht Jahren hat es die Stiftung geschafft, 18 Projekte mit insgesamt 18,5 Hektar Land aus der Spekulation „freizukaufen“.

Wie man sieht, bietet das fast hundertjährige Erbbaurecht ein in der Anwendung zwar nicht ganz unkompliziertes, aber wirksames Instrumentarium, um im Sinne der Gemeingüterdebatte moderne Lösungen zu erarbeiten. Es bietet sich als Instrument für einen innovativen Denkansatz und die Pflege eines „ganz anderen“ ethischen und gesellschaftspolitischen Grundverständnisses an. Seitens der Städte und Gemeinden ist es ein probates Mittel, bürgerschaftliches Engagement zu fördern, gleichzeitig aber Einnahmen und Planungshoheit zu behalten.

■ Der Bankkaufmann Rolf Novy-Huy ist Geschäftsführer der Stiftung trias, www.stiftung-trias.de