EZB denkt „eingehend“ über Strafzinsen nach

KRISE Angesichts drohender Deflation diskutiert Europäische Zentralbank viel – und tut wenig

„Wir hatten darüber eine tiefgreifende Diskussion“

MARIO DRAGHI ZU ANLEIHENAUFKÄUFEN

FRANKFURT/BERLIN taz | Sie redeten und diskutierten – und wagten dann doch keine Zinsrevolution. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält sich weiter eine Hintertür für harte Krisenmaßnahmen zur Abwehr einer für die Konjunktur bedrohlichen Deflation offen. Der EZB-Rat habe über den Ankauf von Wertpapieren in großem Stil und auch über eine Zinssenkung gesprochen, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Dabei sei auch „eingehend“ über einen Strafzins für Banken diskutiert worden. Mit diesem Mittel könnte die EZB zu verhindern versuchen, dass Banken Geld bei ihr parken, statt es als Kredit an Kunden zu vergeben – und damit die Wirtschaft zu stimulieren.

Der Rat sei sich einig, dass auch „unkonventionelle Maßnahmen“, die in das EZB-Mandat fallen, bei Bedarf eingesetzt werden könnten, sagte Draghi. Damit könne die EZB „Gefahren einer längeren Phase niedriger Inflation“ begegnen. Zu den diskutierten Maßnahmen zähle auch der in den USA praktizierte großflächige Ankauf von Wertpapieren – im Fachjargon Quantitative Easing genannt. „Wir hatten darüber eine tiefgreifende und ausgiebige Diskussion“, betonte Draghi. Mit solchen Ankäufen könnte die EZB schnell die Geldmenge aufblähen, die Wirtschaft ankurbeln und die Teuerung anheizen. Die Notenbanken in den USA, Großbritannien und Japan haben dieses Mittel schon angewendet.

Wegen möglicher Nebenwirkungen – etwa einer mittelfristig zu starken Inflation – gilt das Instrument aber als riskant. Vor allem die Bundesbank hat sich deshalb lange gegen einen solchen Schritt gewehrt. Zuletzt allerdings hatte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann konziliantere Töne angeschlagen.

Die Inflationsrate im Euroraum war zuletzt auf 0,5 Prozent gefallen, in Krisenländern wie Spanien fallen die Preise bereits. Sinkende Preise können die Wirtschaft auf Dauer lähmen. Der Grund: Einkäufer zögern mit Investitionen, wenn sie womöglich noch günstigere Preise erwarten können. Die EZB strebt eine Inflationsrate von knapp 2 Prozent an, verfehlt dieses Ziel aber bereits seit Längerem.

Die Industriestaaten-Organisation OECD stützte die Niedrigzinspolitik der EZB am Donnerstag. Angesichts der schwachen Konjunktur und niedriger Inflation müsse die EZB müsse noch „für einen längerem Zeitraum“ konjunkturstimulierend agieren. Allerdings müssten auch die Risiken im Auge behalten werden, vor allem für die Finanzmärkte. „Es kann eine übermäßige Risikobereitschaft sowie Vermögenspreisblasen und Instabilität im Finanzsystem fördern“, warnte die Organisation.