„Euer Wohlstand ist unser Wohlstand“

EU-AFRIKA-GIPFEL Klimawandel in Brüssel: Ein kriselndes Europa klammert sich an ein aufstrebendes Afrika – will aber Bestimmer bleiben

■ Der Konflikt: In der Zentralafrikanischen Republik herrscht seit anderthalb Jahren Krieg. Im März 2013 ergriff die Rebellenbewegung Seleka die Macht und verlor sie Januar 2014 wieder. Anhänger des Vorgängerregimes und lokale Milizen namens „Anti-Balaka“ haben die meisten Angehörigen der muslimischen Minderheitenvölker, aus denen sich Seleka rekrutierte, vertrieben. Die Zahl der Toten geht in die Tausende.

■ Die EU-Truppe: 2.000 französische Soldaten sind als Eingreiftruppe „Sangaris“ in Zentralafrika stationiert, 6.000 Soldaten aus verschiedenen afrikanischen Ländern als Eingreiftruppe „Misca“. Auf französischen Wunsch beschloss die EU im Februar die Entsendung einer EU-Eingreiftruppe „Eufor-RCA“. Sie wurde offiziell am 1. April gestartet, aber nur auf dem Papier; ihr Mandat läuft zunächst sechs Monate. (d.j.)

AUS BRÜSSEL FRANÇOIS MISSER

Ein Afrika im Aufschwung stößt auf ein Europa in der Krise. Die Eurozone ist alt und verzeichnet Negativwachstum, Afrika ist jung, chaotisch und boomt. Die Kräfteverhältnisse haben sich seit dem ersten EU-Afrika-Gipfel im Jahr 2000 in Kairo verändert. Auf dem vierten EU-Afrika-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel zu Ende ging, spielte die EU die Karte der geografischen und kulturellen Nähe zu einem Kontinent in voller Expansion, der von allen Weltmächten hofiert wird.

Ein gemeinsames Schicksal verbinde Europa und Afrika, sagte EU-Kommissionspräsident José Barroso: Wenn Terroristen in der Sahelzone oder am Horn von Afrika zuschlagen, sei auch Europa bedroht; wenn Zuwanderung unkontrollierbar wird, sei sie ein Problem für beide. „Euer Frieden ist unser Frieden, euer Wohlstand ist unser Wohlstand“, betonte Barroso.

Dass Kanzlerin Angela Merkel zum Gipfel kam, zeugt von der gestiegenen Bedeutung Afrikas für die EU, ebenso das Bestreben der Deutschen, sich explizit an die Seite ihres französischen Amtskollegen François Hollande bei dessen Interventionspolitik in Mali und Zentralafrika zu stellen. „Ich schlage eine Allianz zwischen unseren beiden Kontinenten vor“, sagte Hollande: „Eine Allianz der Sicherheit, also des Friedens; der Entwicklung, also des Wachstums; und schließlich der Umwelt.“

Europas Entwicklungshilfe für Afrika, insgesamt rund 20 Milliarden Euro pro Jahr, solle so beibehalten werden, so der EU-Kommissionschef. Zudem wird die EU in den nächsten drei Jahren 800 Millionen Euro zur Unterstützung afrikanischer Militärinterventionen bereitstellen.

Weiter sucht Europa den Schulterschluss mit Afrika in der globalen Klimapolitik: die EU hofft, beim nächsten Weltklimagipfel in Paris 2015 endlich ein verpflichtendes Abkommen zu erreichen. Barroso zitiert Maasai-Sprichworte aus Kenia über die Verpflichtung des Menschen, die Erde intakt an die Nachkommen weiterzugeben, und verspricht, ein Fünftel seiner Entwicklungshilfe in „klimarelevanter“ Weise auszugeben.

Bemerkenswert von afrikanischer Seite ist im Kontrast zum europäischen Auftritt die Abwesenheit zahlreicher wichtiger Politiker. Was als pikierter Boykott des Simbabwers Robert Mugabe begann, weil seine Ehefrau kein Einreisevisum bekam, hat sich zum Fehlen des halben Kontinents ausgeweitet: die Präsidenten von Südafrika, Angola und Kongo sind ebenso wenig gekommen wie die von Sudan, Marokko, Algerien und der Elfenbeinküste – lauter wichtige Regionalmächte. Im Brüsseler Rampenlicht konnten damit korruptionsverdächtige Autokraten umso heller glänzen, wie Teodoro Obiang Nguema aus Äquatorialguinea, der sich strahlend zwischen José Barroso und Herman Van Rompuy filmen ließ, während in Paris gegen ihn wegen Unterschlagung ermittelt wird.

Ein gemeinsames Schicksal verbinde Europa und Afrika, sagt José Barroso

Die Tendenz der europäischen Politiker, immer schon genau zu wissen, was in Afrika zu tun ist, bevor man darüber mit Afrikanern spricht, sorgt für Irritation. Die Fokussierung auf militärische Zusammenarbeit in Reaktion auf islamistischen Terror sei zu kurzsichtig, sagt Nigers Präsident Mahamadou Issoufou der taz: „Erst wenn wir einmal die Armut besiegt haben, gibt es das Umfeld zur Eindämmung des Terrorismus. Wir hoffen, dass die Entwicklungsdimension in den Beziehungen zwischen der EU und Afrika nicht verloren geht. Das bedeutet auch, über die Freihandelsabkommen zu reden, damit diese nicht Afrika davon abhalten, sich zu industrialisieren.“

Auch beim Afrika-Business-Forum, das dem Gipfel voranging, wurde Kritik laut. Die EU will bis zum 2020 in Afrika Wasserkraftpotenzial von 10.000 MW aufbauen – aber sie macht keine einzige konkrete Zusage zur Beschleunigung der beiden derzeit wichtigsten afrikanischen Wasserkraft-Großprojekte in Äthiopien und Kongo, deren Regierungen sich daher China, Indien und Brasilien zuwenden.

Europa tut sich schwer damit, seinen Paternalismus abzustreifen. Barroso würde den Satz „Ich glaube, wir verzeichnen in unserer Partnerschaft der Gleichen wirkliche Fortschritte“ niemals in Bezug auf die USA, Russland oder Japan sagen. Immerhin, flachst ein Teilnehmer: Niemand hat bei diesem Gipfel die Absicht, das Gastgeberland zu bombardieren. Der letzte EU-Afrika-Gipfel fand Ende 2010 in Libyen statt, kurz vor Beginn der Nato-Luftangriffe gegen Gaddafi.