feuer, pfeife, grass, wem nützt das was? von WIGLAF DROSTE
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Ein Letztes über Günter Grass: Auf der Frankfurter Buchmesse erhielt die sozialdemokratische Mitmischmaschine den Preis der deutschen Werbeagenturen. Scholz und Friends, Heckler & Koch, alle Branchengrößen votierten einstimmig für Grass. „Er ist unser Bester“, hieß es in der Laudatio. „Es gibt buchstäblich nichts, das Günter Grass nicht losschlagen könnte. Sogar aus der SS hat er wieder ein respektables Produkt gemacht.“

Mit seinem PR-Bekenntnis „Ich war bei der SS-Division ‚Frundsberg‘!“ hat sich Günter Grass um das deutsche Stammesbewusstsein verdient gemacht. Der Schlussstrichdeutsche hat es nun schriftlich, von einem veritablen Nobelpreisträger: Man musste quasi in der Waffen-SS dienen, Schlimmeres ist nicht passiert, Verbrechen fanden nicht oder woanders statt. Hinterher wurde geschwiegen oder auf andere projiziert – nur einmal persönlich zu sagen, dass man bei etwas Furchtbarem mitgemacht hat und dass einem das leidtut, kam nicht in Frage.

Wie es üblich geworden ist in Deutschland, die Deutschen als die wahren, die eigentlichen Opfer des Nationalsozialismus zu betrachten, so wähnt sich Grass als Opfer: Noch wenn er in 300 Kameras hineinspricht, behauptet er eisern, er solle „mundtot“ und „zur Unperson“ gemacht werden. Es ist genau diese Mischung aus aggressivem Leugnen, Selbstmitleid und Selbstgerechtigkeit, die geistige Zementsäcke wie Grass so abstoßend macht.

Die zum Selbstschutz erfundene Mär, dass man sich gar nicht anders hätte verhalten können als Grass, ist allen Mitläufern zum Munde geschrieben und wird entsprechend begeistert aufgenommen. Dabei gibt es zahllose Gegenbeispiele, die nichts mit Heroismus zu tun haben, sondern schlicht mit Haltung. Von Peter Hacks (1928 – 2003) ist Folgendes überliefert: Mit anderen losen Subjekten, in deren Band er Saxophon spielte, drückte sich Hacks nach Kräften vorm Dienst fürs Vaterland. Einer verstand sich auf fiebererzeugende Impfungen, ein anderer auf die Technik des schnellen Ortswechsels: Wenn in Breslau einberufen wurde, hatte er sich gerade in Hirschberg gemeldet und umgekehrt.

Der mit Hacks befreundete Schlagzeuger erzählt, wie sich die langhaarige Truppe mitsamt einem Grammophon nach Schosdorf auf Schloß Kessel zurückzieht. Hacks wirft das Musikgerät gleich im Zug an, die Heimatfront empört sich, sie kriegen laufend Ärger. Schließlich werden sie von den Kettenhunden der Feldgendarmerie verhaftet, in Greiffenberg der SS übergeben und nach Hirschberg verbracht. Sie schwindeln, was das Zeug hält. Es ist kurz vor ultimo, Breslau wird Festung und sie müssen doch noch ran. Hacks schafft es mit einem Reichsarbeitsdienst-Entlassungspapier in amerikanische Gefangenschaft. Ein paar Jahre später schreibt er dem Schlagzeuger in Erinnerung: Weißt Du noch, wie wir bei der SS festsaßen und dachten, unser letztes Stündlein hat geschlagen?

So viel zur mottenkugeligen Legende, man müsse einen miesen Charakter haben, um große Kunst machen zu können. Aus dem Mitläufer Grass entwickelte sich ein Kulturbetriebsintrigant und Werbefachmann, Peter Hacks wurde ein großer Dichter.