Mit den Augen der Besatzer

DOKUMENTATION Die Ausstellung „Im Objektiv des Feindes“ in Hannover zeigt Fotos, die die Propaganda-Kompanien der Wehrmacht zwischen 1939 und 1945 von den gedemütigten Bewohnern des besetzten Warschau machten

Der Auftrag war klar: Wehrmacht-Fotografen sollten die Bevölkerung des besetzten Polen als „Untermenschen“ darstellen

Der ideologische Auftrag war klar: Als „Untermenschen“ sollten die Fotografen der deutschen Wehrmacht die – polnischen und jüdischen – Bewohner des seit dem 1. September 1939 von Nazi-Deutschland besetzten Warschau darstellen. Entsprechend hämisch sind die Resultate ausgefallen: NS-Militärs, die Juden genüsslich den rituellen Bart abschneiden sind da zu sehen – und junge deutsche Soldaten, die Juden in großen Gruppen mit Gewehren aus einem Gebäude treiben.

Andere Bilder zeigen die Verwüstung nach dem Aufstand im Warschauer Getto 1943 sowie nach dem Warschauer Aufstand von 1944 – demjenigen der „Heimatarmee“ gegen die Besatzer. Auch das Schlangestehen für Essen zeigen die Schwarz-Weiß-Fotos – und überhaupt den harten Alltag für die Bewohner der besetzten Stadt.

Erinnerungen an grausame Zeiten bergen die 130 Fotos, die NS-Fotografen zwischen 1939 – dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen – und 1945 machten, und die Perspektive ist ein eigenes Historicum: „Im Objektiv des Feindes – W Obiektywie Wroga“ heißt die konsequent deutsch-polnisch gehaltene Ausstellung, die jetzt in der Volkshochschule Hannover eröffnet wird.

Der polnische Historiker Eugeniusz Cezary Król hat die Fotos – gemeinsam mit dem Marburger Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – im Jahr 2009 im Koblenzer Bundesarchiv ausgewählt. Dort lagern 1,1 Millionen Originalnegative, und Anlass für die Recherche war eine große Ausstellung in Warschau zum 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen.

Der Zuspruch der Ausstellung in Polen war enorm, danach kam sie nach Berlin, und seither tourt die Schau in abgespeckter Form auch durch Deutschland; Hannover ist die schon 15. Station, und die Nachfrage bleibt groß: Die meisten Fotos werden erstmals öffentlich gezeigt, und Überschneidungen etwa mit der Wehrmachtsausstellung von 1995 gibt es nicht. Interessant am Konzept der Schau ist zudem der Subtext, denn durch das Fotografieren von Erschießungen und Demütigungen der Warschauer Bevölkerung werden die Geschundenen zum zweiten Mal Opfer.

Und wenn auch nicht alle Fotos mit dem Gestus des Triumphs daherkommen – manche zeigen schlicht Besprechungen der NS-Besatzer oder ähnlich Unspektakuläres –, sagt der Historiker und Mitorganisator Dietmar Popp vom Herder-Institut, „kann ich mir bei einigen Fotos nicht vorstellen, in welcher Form sie – obwohl von den Propaganda-Kompagnien der Wehrmacht gemacht – in den 1940er-Jahren vom NS-Regime veröffentlicht wurden. Vielleicht waren sie in erster Linie für interne Zwecke gedacht.

Einige Bilder allerdings haben sich als Ikonen des Grauen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: Der jüdische Junge, der, gemeinsam mit einer Gruppe Erwachsener, mit erhobenen Händen vor den Gewehren deutschen Soldaten flieht, ist hierzulande in vielen Geschichtsbüchern zu finden.  PETRA SCHELLEN

Die Ausstellung „Im Objektiv des Feindes – W Obiektywie Wroga“ wird am 7. 4. um 18 Uhr in der Volkshochschule Hannover eröffnet und läuft bis zum 28. 4.