Aliens in Berlin

Sie sind überall. Bei Coca-Cola tropfen sie von den Werbetafeln, bei Ford machen sie die Werbung unsicher, und auf dem Jugendfernsehsender Nickelodeon zerplatzen sie zwischen zwei Comicfilmen. Keine Frage, die Welt mag Character, jene skurrilen Wesen, die nach Zeichentrick aussehen. Was mit Super Mario und Hello Kitty bereits in den Achtzigerjahren begann, ist nun explosionsartig zum Lieblingsspielzeug der Medien- und Werbeindustrie geworden: Keine Firma ohne eines dieser putzigen Maskottchen. Wo bislang vor allem Hiphop-Aktivisten und Graffiti-Künstler sich ihre neuen Character ausgedacht haben, ist mittlerweile ein ganzer Wirtschaftszweig damit beschäftigt, die kleinen Biester massenkompatibel zu machen. Knickt das Netzwerk aus Zeichnern, Grafikern und Webdesignern, das sich von Berlin bis Tokio, New York oder Buenos Aires gebildet hat, vor so viel Kommerz ein? Droht der Sellout? Es wird auch um solche Fragen gehen, am kommenden Wochenende bei der „2. Pictoplasma-Konferenz“ im Haus der Berliner Festspiele, Berlin (www.pictoplasma.com). Im Vorfeld wird die taz mit kurzen Foto-Stories ein paar Einblicke in den Alltag dieser Szene werfen. Dabei wissen die Aktivisten in Sachen Character Design sehr wohl, dass man sich stets auf dem schmalen Grad von Subversion und Dekor bewegt. Denn indem die Welt mit seltsamen Figuren überzogen wird, entsteht auch so etwas wie kultureller Dialog – all diese Flauschmonster und Lederpüppchen stellen letztlich Fremdheit dar. Lauter Aliens eben. HF