Die Wähler wollen einen Saubermann

COSTA RICA Ein Kämpfer gegen die Korruption gewinnt im Alleingang die Stichwahl um die Präsidentschaft. Die Traditionsparteien hatten sich vorher durch ein Übermaß an Bestechlichkeit selbst erledigt

Das 60 Jahre alte Zweiparteiensystem Costa Ricas ist an der Korruption auf allen Ebenen zerbrochen

BERLIN taz | Es war die absurdeste Wahl, die Costa Rica je erlebt hat: Luis Guillermo Solís, knapper Sieger im ersten Wahlgang vom 2. Februar, trat am Sonntag bei der Stichwahl gegen ein Phantom an. Sein Gegner Johnny Araya von der regierenden Partei der Nationalen Befreiung (PLN) hatte bereits Anfang März den Wahlkampf eingestellt und sich wegen für ihn katastrophaler Umfrageergebnisse zurückgezogen.

Das aber ist im Wahlgesetz nicht vorgesehen, und so stand am Sonntag sein Name trotzdem auf den Stimmzetteln. Erwartungsgemäß räumte Solís mit 78 Prozent ab. Er darf sich trotz der ungewöhnlichen Umstände als starker Präsident fühlen: Er erhielt so viele Stimmen wie kein Präsident vor ihm – knapp 1,3 Millionen. Und das trotz einer für Costa Rica niedrigen Wahlbeteiligung von 57 Prozent.

Zu Beginn des Wahlkampfs war Solís weitgehend unbekannt. In Umfragen lag er chancenlos auf Platz vier und wurde dann im ersten Wahlgang mit 30,6 zu 29,7 Prozent knapper Überraschungssieger vor Araya, der vierzehn Jahre lang Bürgermeister der Hauptstadt San José und sehr viel bekannter als sein Gegner war. Lange hatte er auch als klarer Favorit gegolten. Letztlich ist er daran gescheitert, dass seiner Partei und ein bisschen auch ihm der Ruch der Korruption anhaftet.

Solís dagegen trat für die Partei der Bürgeraktion (PAC) an, die vor dreizehn Jahren aus einer Antikorruptionsbewegung heraus entstanden ist. Seit einem kurzen Bürgerkrieg 1948 wird Solís der erste Präsident sein, der weder der sozialdemokratischen PLN noch der konservativen christsozialen PUSC angehört. Die beiden Parteien hatten sich über sechzig Jahre lang an der Regierung abgewechselt und damit für eine in Zentralamerika ungewöhnliche politische Stabilität gesorgt.

Auch Solís gehörte dreißig Jahre lang der PLN an. Der 55-jährige gelernte Historiker und Politologe war für verschiedene PLN-Regierungen im Außenministerium, unter anderem als Botschafter für zentralamerikanische Angelegenheiten. 2005 trat er nach einer von Betrug gezeichneten internen Wahl aus und schloss sich der PAC an. Im Wahlkampf sagte er, damals habe sich die PLN von ihren sozialdemokratischen Idealen verabschiedet, habe die Mittelschicht verraten und sei für die Akkumulation von Reichtum in wenigen Händen eingetreten. Die Begleiterscheinung dieses neoliberalen Kurses sei Korruption. An ihr ist das lange stabile Zweiparteiensystem zerbrochen. Die einst mächtige PUSC verlor an Bedeutung, als 2011 zwei ihr angehörende ehemalige Präsidenten zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt wurden: Rafael Angel Calderón (1990 bis 1994) hatte sich beim Kauf von medizinischem Gerät von einer finnischen Firma schmieren lassen, Miguel Ángel Rodríguez (1998 bis 2002) nahm bei der Vergabe einer Mobilfunklizenz Geld vom französischen Konzern Alcatel.

Die PUSC muss inzwischen froh sein, wenn sie ein zweistelliges Wahlergebnis erreicht. Auch José María Figueres (PLN), Präsident von 1994 bis 1998, hatte von Alcatel fast 1 Million US-Dollar bekommen. Allerdings erst nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt, weshalb er das Geld als Beraterhonorar deklarieren konnte. Die jetzige Präsidentin Laura Chinchilla (PLN) war mehr mit dem Glätten verschiedener Korruptionsskandale in ihren Ministerien beschäftigt als mit dem Regieren. Und auch im Hauptstadtrathaus von Araya sind mehrere Millionen Dollar verschwunden. Ihr selbst ist nie etwas nachgewiesen worden.

Der Antikorruptionskämpfer Solís erscheint dagegen wie eine Lichtgestalt. Einfach wird er es trotzdem nicht haben: Seine Partei stellt im Parlament nur 13 von 57 Abgeordneten. TONI KEPPELER