Dürfen Christen Mohammed anzünden?

Die spanischen Feste, bei denen der Sieg der Christen über die Muslime Ende des 15. Jahrhunderts gefeiert wird, sind Objekt eines Kulturkampfs geworden. Denn zum Höhepunkt wird eine weibliche Mohammed-Puppe in die Luft gesprengt

AUS MADRID REINER WANDLER

Moros y Cristianos – Mauren und Christen – heißen die Feste an der spanischen Mittelmeerküste, bei denen sich ganze Dörfer als muslimische Soldaten oder christliche Ritter verkleiden. In 400 Dörfern an Spaniens Ostküste rund um Valencia und Alicante wird mit großen Kostümparaden und in Massentänzen auf den Plätzen zu traditioneller Musik der Sieg der Christen über die Muslime nachgespielt, der Ende des 15. Jahrhunderts 800 Jahre muslimischer Herrschaft in Spanien ein Ende bereitete. Symbolisch wird die Schlacht um das jeweilige Dorf nachgespielt. Zum Höhepunkt wird je nach Ort eine Puppe namens „la mahoma“ vom Turm geschmissen, angesteckt oder ihr überdimensionaler Kopf explodiert mit einem bunten, lauten Feuerwerk. Der Prophet Mohammed, zum Spott verweiblicht, ist tot. Alles applaudiert, jubelt und tanzt.

Dieses Jahr haben viele Gemeinden diese mehrere hundert Jahre alte Hauptattraktion gestrichen, um „keine religiösen Gefühle zu verletzen“. Nach dem Karrikaturenstreit und den Protesten um die jüngsten Äußerungen des Papstes tobt nun in Spanien die gleiche Debatte, wie sie Deutschland seit der Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ in Berlin kennt: Wo hört der Respekt vor der anderen Kultur auf, wo fängt Unterwerfung an?

„Dieser Akt ist nicht grundlegend wichtig für die Feste, und da durch ihn einige Menschen in ihren Gefühlen verletzt werden können, haben wir darauf verzichtet“, erklärt der Bürgermeister von Beneixama, Antonio Valdés, der das Feuerwerk auf dem Kopf des Propheten ersatzlos gestrichen hat. Seit Februar haben immer mehr Dörfer den Höhepunkt ihrer Feste abgesagt. „Respekt vor der anderen Religion“ lautete die Begründung immer wieder. Doch Spaniens Presse berichtet, dass oft auch Angst eine Rolle spielte.

„La mahoma ist nicht der Prophet, sondern nur ein Symbol“, spricht sich hingegen der Vorsitzende der Nationalen Union der Festveranstalter gegen die Selbstzensur aus. „In der Zeit der Muslime waren ähnliche Symbole an den arabischen Festungen angebracht. Das ist der wahre Hintergrund.“ Die Feste seien eine kollektive Rückbesinnung auf die Geschichte der Dörfer.

Auch unter den Muslimen Spaniens gehen die Meinungen auseinander. Majed Khadem, Vorsitzender der Islamischen Gemeinde in Alicante, verteidigt die Feste. „Sie verletzen niemanden, es sind alte Traditionen“, meint der gebürtige Syrer. Felix Herrero, konvertierter Spanier und Imam in der Moschee im südspanischen Málaga, sieht das hingegen anders. Für ihn haben „diese Feste keinen Platz in einem demokratischen Spanien“. Gleichzeitig muss er eingestehen, dass selbst einige seiner muslimischen Freunde an den populären Festen teilnehmen.

Auch unter arabischen Intellektuellen sind die Moros y Cristianos ein Thema geworden. „Ich bin gegen jedwede Zensur“, erklärte der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun letzte Woche auf einer Podiumsdiskussion in Madrid. Wer sich in einem Rechtsstaat wie Spanien beleidigt fühle, der könne Klage vor Gericht einreichen, „egal ob Muslim oder nicht“, meinte er. Auch der tunesischen Historikerin Latifa Lakhdar geht diese Entscheidung „entschieden zu weit“. Und für Oumama Aouad, Professorin für Hispanistik an der Universität Mohammed V in Marokkos Hauptstadt Rabat, ist es „die Angst, die die Europäer dazu treibt, so zu handeln“. So mancher Kommentator gibt ihr Recht, indem er dieser Tage daran erinnert, dass Ussama Bin Laden Spanien – oder „Al Andalus“, wie das muslimische Spanien hieß – immer wieder als verlorenes Stück der arabischen Welt bezeichnet.