Polizistenmord soll neu aufgerollt werden

Dortmunder Anwälte fordern eine Anklage wegen vorsätzlicher Tötung gegen den Polizisten, der im April einen Kongolesen erschossen hat. Die Einstellung des Verfahrens sei fragwürdig. Die Staatsanwaltschaft prüft die Vorwürfe

DORTMUND taz ■ Im Fall des im April von einem Dortmunder Polizisten erschossenen Kongolesen haben die Rechtsanwälte der Schwester gestern einen außergewöhnlichen Schritt in die Öffentlichkeit gemacht: Auf einer Pressekonferenz forderten sie gestern eine Wiederaufnahme des Verfahrens und eine Anklage gegen den Polizisten wegen eines „vorsätzlichen Tötungsdeliktes“. Die Schwester des Mannes verfolgte die Pressekonferenz zum Teil mit Tränen in den Augen. „Er hatte so viele Pläne“, sagte sie.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte das Verfahren im Juli eingestellt, weil der Polizist ihrer Ansicht nach in Notwehr handelte. Er hatte den 23 Jahre alten Kongolesen mit zwei Schüssen ins Bein und ins Herz tödlich verletzt, nachdem der ihn mit einem Messer bedroht haben soll. Rechtsanwalt Wolfgang Heiermann begründete den nach seiner Ansicht „etwas ungewöhnlichen Schritt“ in die Öffentlichkeit mit einem rechtswidrigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Nach Ansicht der Kanzlei ist bei der Einstellung des Verfahrens die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht berücksichtigt worden. Daher habe die Kanzlei eine Beschwerde gegen das Vorgehen der Behörde eingelegt. Das Einstellungsverfahren sei fragwürdig, so Rechtsanwalt Detlev Hartmann.

Bei der Staatsanwaltschaft stieß das Vorgehen der Rechtsanwälte auf Unverständnis. „Wir lassen uns nicht unter Zeitdruck setzen – schon gar nicht von einer Pressekonferenz“, sagte Oberstaatsanwältin Ina Holznagel der taz. Die Vorwürfe wollte sie nicht kommentieren und auch keine Darstellung des Falls geben. Die Beschwerde werde intern von drei Stellen geprüft. Wann die Prüfungen abgeschlossen sein werden, konnte sie nicht sagen. „Es ist noch nichts entschieden“, so Holznagel. Prüfen muss die Staatsanwaltschaft unter anderem, ob sie aufgrund einer „eingeschränkten Sachdarstellung“ entschieden hat. Dies wirft die Kanzlei ihr vor.

Die Staatsanwaltschaft wird daher noch einmal aufrollen müssen, was sich an jenem Karfreitag vor einem Kiosk in Dortmund Eving abspielte. Nach Darstellung der Rechtsanwälte soll am 14. April gegen 16 Uhr am Nachmittag ein Kioskbesitzer die Polizei alarmiert haben, weil ein Mann mit einem Messer vor seinem Kiosk stehe. Daraufhin sei ein mit zwei Polizisten und einer Polizistin besetzter Streifenwagen zum Tatort gefahren. Dort habe der Kongolese mit einem Messer gegen das Fenster an der Beifahrerseite gestoßen – „aus irgendeinem Grund, den wir nicht kennen“, wie Hartmann sagte. Der Mann habe dabei aber lediglich Kratzer hinterlassen. Über das, was dann geschah, herrscht nach Angaben der Rechtsanwälte Unklarheit. Nach Angaben von Zeugen sollen die zwei Beamten das Auto verlassen haben. Damit wären sie dem Mann überlegen gewesen. Dies hätte die Staatsanwaltschaft aber nicht berücksichtigt. „Der zweite Polizeibeamte ist weg geschnitten worden“, sagte Rechtsanwalt Heiermann. Zudem hätte der Todesschütze sich nicht korrekt verhalten. Der Bundesgerichtshof gebe klare Regelungen vor, wie man sich in einem solchen Fall verhalten solle. „Ein Schuss gegen den Körper darf nur das letzte Mittel sein“, sagte Hartmann. So hätte der Beamte beispielsweise ohne Probleme ein Stück weiterfahren und auf Verstärkung warten oder Pfefferspray, das jeder Beamte bei sich trage, einsetzen können. „Wenn die Polizei sich rechtmäßig verhalten hätte, wäre der Mann noch am leben“, sagte Hartmann.KATHARINA HEIMEIER