Ozean der Zukunft

Ein internationales Forschungsnetzwerk versucht zu ergründen, welche Auswirkungen die Klimaveränderung auf die Ozeane hat. Auf ihrer ersten Tagung in Kiel ging es auch darum, wie die Meere als neue Rohstoffquelle genutzt werden können

„Es gibt keine eindeutig bewiesene sichere Lagerung von Kohlendioxid“

VON VERENA WEUSTENFELD

Die Ozeane, die mit ihren Küsten- und Randmeeren rund 71 Prozent der Erdoberfläche einnehmen, liefern einen Großteil der natürlichen Ressourcen und beeinflussen über große räumliche Entfernungen und Zeitabstände unsere Umwelt im Ökosystem Erde. In der ersten internationalen Tagung des Kieler Forschungsnetzwerks „Ozean der Zukunft“ diskutierten Wissenschaftler Anfang Oktober über die Auswirkungen des globalen Klimawandels und der zunehmenden Verwertung von Rohstoffen aus den Weltmeeren. Ihr Szenario: Warnungen müssen ernst genommen, Chancen müssen ergriffen werden.

Das Forschernetzwerk „Ozean der Zukunft“ ist ein in Deutschland einzigartiger Zusammenschluss von Meeres-, Geo- und Wirtschaftswissenschaftlern sowie Medizinern, Mathematikern, Juristen und Geisteswissenschaftlern. Ziel ist die multidisziplinäre Erforschung der Ozeane. „50 Prozent der Erkenntnisse, die wir über den Ozean haben, stammen erst aus den letzten zwanzig Jahren, wir haben es in weiten Teilen noch mit einer sogenannten Blackbox zu tun“, erläutert Professor Jeremy Jackson von der Universität in Kalifornien.

So fungieren die Weltmeere in unserem Klimasystem als wichtige Kohlendioxid-Senke, der Ozean absorbiert annäherungsweise 30 Prozent der anthropogenen Emissionen – unklar ist jedoch, inwieweit die Pufferfunktion auch in der Zukunft aufrechterhalten werden kann. Eine zunehmende Versauerung, die in letzter Zeit verstärkt diskutiert wird, führt zur Abnahme dieser Funktion, ebenso wirkt sich die steigende Erwärmung des Ozeans aus – mit weit reichenden Folgen.

„Eine Zerstörung von benthischen Habitaten ist nur ein Symptom“, führt Jackson die Gefahren aus. „Seit 1993 ist der globale Meeresspiegel um 37 Millimeter gestiegen“, konstatiert der US-Forscher Kevin Trenberth, „verursacht um circa 60 Prozent durch die Ausdehnung der Ozeantemperatur.“ Die Auswirkungen wie zum Beispiel die damit verbundenen Änderungen von Meeresströmungen wurden ausführlich diskutiert. Doch nicht nur die Risiken waren Gegenstand der Diskussion der Forscher in Kiel. „Neue Techniken und Modellierungen sollen entworfen werden und könnten eine große Chance darstellen“, meint die Professorin für Marine Biogeochemie Karin Lochte vom IFM-Geomar an der Uni Kiel.

Dies betrifft nicht nur die Entwicklung der sogenannten „grünen Medizin“ aus den Ozeanen, sondern entfacht in Zeiten der Verknappung von fossilen Energieträgern auch einen neuen Diskurs: Methanhydratvorkommen, die weite Teile der Kontinentalabhänge bedecken, werden als das „weiße Gold“ der Meere bezeichnet.

„Weltweit lagern bis zu 100 Milliarden Tonnen dieser eisförmigen Verbindung im Sediment der Ozeane“, berichtet Professor Klaus Wallmann, Koordinator des Forscher-Netzwerkes. Technische und ökologische Fragen wollen noch geklärt werden, bis dieser Energieträger tatsächlich auch nutzbar ist. Spezielle und angepasste Organismen besiedeln die Kontinentalhänge, deren ökologisches Gleichgewicht gestört werden könnte.

Ein gewichtiges Problem stellt auch der sogenannte Storegga-Effekt dar: Gashydrate wirken stabilisierend auf die Kontinentalabhänge, an denen sie sich absetzen. Destabilisieren sich die Methanhydrate, kommt es zu Hangrutschungen. Das abbrechende Geröll und Gestein rutscht dann über mehrere hundert bis tausend Meter in die Tiefe und kann einen Tsunami hervorrufen – wie eindrücklich beschrieben in Frank Schätzings Roman „Der Schwarm“.

„Die Mengen an Methanhydraten sind gewaltig, wenn wir das alles auch noch verfeuern wollen, würde dies eine gigantische Erwärmung zur Folge haben“, sagt dazu der Kieler Professor für Maritime Meteorologie Mojib Latif. Nicht ganz so skeptisch ist Wallmann, der eine Problemlösung auch in der Injektion von Kohlendioxid (CO2) in den Meeresboden sucht, um „einerseits das ökonomische Potenzial mit einem besseren Management zu erschließen und andererseits ökologische Prozesse nicht zu gefährden“.

Denn in dem Maß, wie in den Industrieländern die Erfüllung der Reduktionsziele, zu denen sie sich in Kioto verpflichtet haben, in immer weitere Ferne rückt, macht eine weitere Strategie zur Senkung des CO2-Ausstoßes von sich reden: die „Sequestrierung“. Im norwegischen Sleipner-Gasfeld trennt die Firma Statoil schon seit 1996 jährlich eine Million Tonnen Kohlendioxid von dem dort geförderten Erdgas und pumpt es in eine Salzwasser führende Schicht 800 Meter unter dem Meeresboden.

Nach einer Studie vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (WBGU) sind aber noch einige Fragen zu klären, um die Zuverlässigkeit dieser unterirdischen Lagerstätten zu testen. Zum einen weisen sie auf die Gefahr von Unfällen hin: Ähnlich wie bei Erdgaspipelines kann es auch bei Kohlendioxid-Pipelines zum unbeabsichtigten Austritt von CO2 kommen. Weitaus gravierender könnte laut Studie jedoch die andauernde, schleichende Entweichung des Kohlendioxids werden. Selbst bei dem angenommenen mittleren Emissionsszenario des International Panel on Climate Change (IPCC), das nicht den ungünstigsten Fall darstellt, würde langfristig allein die Leckage aus den Lagerstätten bereits 100 Prozent der erlaubten Kohlendioxid-Emissionen verursachen.

Sequestrierung stelle also nur dann eine akzeptable Klimaschutztechnologie dar, wenn sichergestellt werden kann, dass das Kohlendioxid über mindestens 10.000 Jahre in der Lagerstätte verbleibt. „Es gibt keine eindeutig bewiesene sichere Lagerung von Kohlendioxid“, ist der Klimaexperte Mojib Latif überzeugt. Alles in allem klingen die Aussagen der Forscher alarmierend. „Es besteht noch immer ein Bruch zwischen Wissen und Umsetzung – und diese Entwicklung macht Angst“, resümiert der Chefredakteur Niklaus Gelpke von der Zeitschrift Mare.