Die Müllkrise ist noch nicht zu Ende

ITALIEN Die Regierung in Rom will auf eine zweite Deponie bei Neapel verzichten. Doch die Betroffenen gehen weiter auf die Straße. Und bereits beschlossene Recyclingquoten werden nicht durchgesetzt

ROM taz | Für die Regierung Berlusconi ist die Müllkrise von Neapel mit dem am Freitag erklärten Verzicht auf die Eröffnung einer neuen Großdeponie an den Hängen des Vesuvs vorerst beigelegt. Ganz anders sehen jedoch die Bürger der im Mittelpunkt der jüngsten Auseinandersetzungen stehenden Kleinstadt Terzigno die Dinge.

Terzigno liegt mitten im Vesuvnaturschutzgebiet. Dennoch wurde dort schon im Jahr 2008 eine erste Müllkippe eingerichtet. Als jetzt die Arbeiten für die zweite Deponie begannen, rebellierten die Bürger. Denn sie sollten eine Kippe mit einem Fassungsvermögen von 3,5 Millionen Kubikmeter erhalten, die damit die größte Europas geworden wäre. Doch auf Guinness-Rekorde legten die Menschen schon deshalb keinen Wert, weil ihnen die schon aktive Deponie infernalischen Gestank beschert.

Deshalb zettelten die Bürger Terzignos und anderer Vesuvgemeinden in den letzten Wochen einen wahren Aufstand an. Bei den Zusammenstößen mit der Polizei wurden insgesamt 26 Müllwagen abgefackelt und 62 weiter schwer beschädigt. Wegen der Blockadeaktionen konnte in zahlreichen Vierteln Neapels der Müll nicht mehr abgefahren werden.

Doch am Freitag machte die Regierung den Rückzieher. Die zweite Deponie wird nicht gebaut, stattdessen soll der Müll erst einmal „provisorisch“ in das Städtchen Giugliano vor den Toren Neapels gebracht werden. Den Bürgern Terzignos ist das zu wenig – und denen Giuglianos zu viel. In Terzigno demonstrierten am Samstag die Bürger, weil sie jetzt auch die Schließung der noch aktiven Müllkippe erreichen wollen. In Giugliano dagegen kam es zu ersten Blockadeversuchen, an denen sich 150 Personen beteiligten.

Weiterhin untätig bleibt die Regierung dagegen bei der Durchsetzung der Mülltrennung. Sie hatte den gesetzlichen Auftrag, alle jene Kommunen unter die Verwaltung eines Kommissars zu stellen, die nicht auf eine Quote von 25 Prozent Recyclingmüll kommen. Doch dies wird nicht durchgesetzt. Und Berlusconis Müllnotstandsmanager Guido Bertolaso erklärte auch, warum: 70 Prozent der betroffenen Gemeinden seien halt von der Berlusconi-Rechten regiert. MICHAEL BRAUN