Verheißungsvolles Klicken

Butter bei die Fische! Wie sind sie denn nun, die Pornos? Vier Autoren, vier pornografische Werke, vier Kurzrezensionen

„Leda and the Swan – Nailed“

Manchmal sind Schwänze in Frauenmündern was Schönes. Manchmal sind Frauenmünder aber auch einfach zu taff für schlichte Schniegel. Etwa in Maria-Beatty-Filmen wie „Leda and the Swan – Nailed“. Die Ladies in dieser rot-schwarzen Industrie-Stahl-Lack-Maschinenwelt lutschen lieber am Pistolenlauf. Beattys Frauen haben Messer zwischen den Zähnen beim Sex. Sie haben diese flachen Bäuche, nach denen wir alle uns sehnen. Sie haben feste Brüste, deren Brustwarzen sich unter einem Honigmantel verhärten. Sie schmücken ihre langen, dünnen Glieder mit schweren, schwarzen Hals- und Armbändern, mit hartem Leder und dehnbaren Latexfesseln. Sie tragen hochhackige Schnürstiefel, die sie auf fremden Mösen abstellen. Sie geben kaum einen Laut von sich, weder vor Lust noch vor Schmerz. Ihre Erregung senden sie sich subtil durch ihre funkelnden Blicke aus schwarzumrandeten Augen, durch das Vibrieren ihrer Wirbelsäulen.

Maria Beatty, Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin aus New York und Paris, widmet sich meist der weiblichen Lust, die bei ihr vom ständigen Spiel um Anziehung und Abstoßung geprägt ist. Sie kleidet bizarren Sex in poetische Tableaus, oft in der Ästhetik der Zwanzigerjahre, oft schwarzweiß, wenn bunt, dann dezent, mit viel Rot. Ihre Schauplätze haben diese samtig-weiche Boudoir-Atmosphäre oder die rohe Ungemütlichkeit von Maschinenkellern. Ihre Geschichten sind so schlicht und schlank, wie es sich für Sexfilme gehört. Dafür sind die Beziehungen zwischen den Frauen sehr genau, differenziert und berührend gezeichnet. In „Nailed“ etwa bestraft eine Domina ihre untreue Geliebte. Die exotischen Spielzeuge, von der Geliebten bei ihren Seitensprüngen zur zart-lustvollen Qual eingesetzt, benutzt die Betrogene mit aggressiver Brutalität. Das getragene Tempo der Seitensprünge, ihre meditative Versunkenheit, wird in ständigen Rückblenden dem zackig harten Straf-Rache-Sex zwischen Betrogener und Betrügerin entgegengestellt.

Beattys Frauen kneifen, klapsen und kratzen mehr, als dass sie streicheln. Sie gehen auf Distanz und betrachten die Schönheit der anderen mit ruhigem Begehren. Ähnliches tut die geneigte Zuschauerin. CORNELIA GELLRICH

„Teleny“

Noch bevor ich mich aus eigenem Antrieb auf die Suche nach ihr machen konnte, schlich sich die Pornografie höchstpersönlich in mein Jugendzimmer. Ich war ahnungslose 13 oder 14 Jahre alt und fasziniert von Oscar Wilde, als mir auf dem Flohmarkt ein zerfleddertes Taschenbuch in die Hände fiel, von dem ich noch nie gehört hatte. Was nicht viel hieß, da ich von Wilde bisher nur seine liebreizenden Kunstmärchen und seine pechschwarzen Zähne kannte – eine Nebenwirkung der damals üblichen Quecksilberkur gegen Syphilis. Von den meisten Herausgebern Wildes wurde das Buch schamhaft verschwiegen, wie ich später lernte – 1895 war es anonym veröffentlicht worden, mitten hinein in den großen Skandalprozess, der dem Dichter gemacht wurde und der ihn bald zerbrechen sollte.

Der Titel des Buches war „Teleny“. Mit wachsendem, später fassungslosem Erstaunen folgte ich der turbulenten Liebesgeschichte, die sich zwischen dem jungen Helden Camille und einem ungarischen Pianisten namens René Teleny entspinnt. Mit viel Liebe zum Detail schildert Wilde, wie dieser Teleny zunächst Camilles halbe Verwandtschaft flachlegt, während ihn unser Held aus scheuer Distanz für seine schönen Klavierspielerhände bewundert. Erst als alle heterosexuellen Varianten durchdekliniert sind, erbarmt sich Teleny und nimmt Camille mit auf eine mehr als deftige Initiationsreise durch die bisexuelle Pariser Swingerszene des Fin de Siècle. Während ich insgeheim noch auf einen traurigen Prinzen oder irgendein anderes romantisches Märchenmotiv hoffte, schilderte der Autor die wüstesten Orgien mit offensichtlichem Genuss. Ich erfuhr, dass manche Menschen auch mit einer Champagnerflasche im Arsch „vor Lust vergehen möchten“, wobei die Flasche tunlichst noch verkorkt zu sein hat, weil der Unterdruck offener Flaschen zu hässlichen Szenen führen kann, die mir Wilde in all ihrer blutigen Pracht vor Augen führte. Bis dahin hatte ich noch nie die Möglichkeit in Erwägung gezogen, es mir von drei Männern gleichzeitig besorgen zu lassen, während ich kopfüber an einem Kronleuchter baumele. Wenn ich hätte schwul werden sollen, spätestens bei dieser Lektüre wäre es mir aufgefallen. ARNO FRANK

„Sayonara“

Eine uneingerichtete Wohnung mit Balkon. Eine Japanerin, Anfang zwanzig, tanzt im transparenten Minikleid. Mit einem sexy, gar nicht mal billigen Gesichtsausdruck beginnt sie, sich zu der sehr billigen Hintergrundmusik auszuziehen. Sie berührt sanft ihre Brüste. Ein Mann kommt! Er trägt nur eine Hose und eine Frisur wie ein US-Serienstar der Eighties. Den Mann erregt das Getanze trotz der schlimmen Musik, der Pep, Melodie und sogar vernünftige Töne fehlen. Die Hauptdarstellerin beginnt, ihn am Hosenschlitz zu massieren. Ihm scheint es zu gefallen, also öffnet sie seine Hose und beginnt sofort, heftig seinen Penis zu lutschen. Ihr Rhythmus passt nicht zur Musik; als privat ebenfalls Sex Praktizierende würde ich mir da einen Abzug in der B-Note erlauben.

Ein weiterer Mann erscheint. Er ist nackt und hat eine riesige Erektion, aber offenbar Probleme mit der Regieanweisung „geil dreinschauen“. Während die Darstellerin den Ersten weiter arhythmisch verwöhnt, beginnt der Zweite, ihren Po zu massieren. Nur kurz! Dann startet ungeschützte vaginale Penetration von hinten. Dies veranlasst die Darstellerin, den Oraldienst am Ersten zu unterbrechen und sehr alberne Stöhngeräusche hervorzupressen. Doch diese Frau kann wirklich alles: Nicht dass der arme Erste nun warten muss, nein, sein angsteinflößend großer Schwanz wird manuell weiterstimuliert. Nun gehen alle ins Bett, nur einen Schwenk entfernt. Sofort reitet sie den einen, während der andere auf seinen Megapenis spuckt und – das sieht nach Schmerzen aus, aber die Dame scheint es wegstecken zu können oder brauchte das Geld dringend – sein überdimensionales bespucktes Ding komplett in ihrem Anus versenkt.

Auch wenn es ein Traum sein sollte, eine zarte Asiatin zu zweit zu beschlafen, möchte frau denken, dass sich die beiden Penisse in ihr, nur durch reispapierzarte Membran getrennt, die Köpfe einschlagen. Aber ihr scheint’s zu gefallen. Mit Stellungswechsel geht es eine Stunde weiter so. Vaginal, anal, oral, manchmal weiß Betrachterin gar nicht, wer nun was gemacht bekommt. Mit ihren kleinen Brüsten wissen die Herrschaften nix anzufangen, und geküsst wird auch nicht, immer nur reingesteckt. Plötzlich – frau möchte meinen, viel zu spät – wird ihr Gesicht rot! Dann spritzt ihr derjenige, der sie gerade anal bearbeitet hat, auf den Rücken! Die Föhnfrisur sitzt! Abgang Darsteller 1.

Der andere legt sich neben unser Asiagirl und rammelt es stumpf weiter. Komplett unrealistisch, jede normale Frau wäre längst wund, und die Typen wären, wenn sie was taugten, schon auf Wochen im Voraus befriedigt. Sie würde rauchen oder grünen Tee kochen. Stattdessen geht es weiter mit erneutem Oralverkehr, und endlich! – seufzt die mitfühlende Betrachterin – ejakuliert er auf ihr knallrotes, gar nicht mehr so anmutiges Gesicht. Ein Filmspaß, in Damaskus an der Straßenecke für 2 Euro gekauft, den ich ganz herrlich der taz verdanke, denn trotz meines Jobs als Sexkolumnistin hatte ich bisher nie den Nerv, mir solchen frauenverachtenden Schund in voller Länge anzuschauen. Puh! SHELLEY MASTERS

„Million Dollar Boy“

Das neue Berliner Gay-Hardcore-Label mit dem sprechenden Namen „Spritzz“ hat mit „Million Dollar Boy“ seine erste und durchaus ungewöhnliche Eigenproduktion auf den Markt gebracht: In einem unterirdischen Edelbordell wird der finanziell potenten älteren Kundschaft auf Knopfdruck – wie im Pornokino – eine sexuelle Fantasie nach der anderen präsentiert. Unter Anleitung einer Art Puffmutter werden junge „Boys“, die man in Berlin an jeder Ecke treffen könnte, und nicht etwa langweilige Muskelbroiler, in virtuellen Sets („Aqua“; „Öl69!“) zu Paaren zusammengestellt, wo es dann zur Ergötzung des Kunden zum Äußersten kommt.

Der Reiz dieses Pornofilms (Regie: Falk Lux) liegt allerdings weniger in einem handfesten Gebrauchswert, sondern in der schrägen künstlerischen Umsetzung: An den verschiedenen Spielstätten durfte sich Setdesigner „Ruback“ ordentlich austoben: In clubartigen Discohöhlen, Strandzitaten oder orientalischen Verliesen agieren zunächst verhüllte Darsteller in Plastiklendenschurzen, Alufolie oder Latexganzkörpersäcken. Begleitet wird die „Handlung“ von einer Musik, die zum Teil Kraftwerk zitiert, was im Zusammenspiel mit der Location – Flughafen Tempelhof International – anschlussfähige (Berlin-)Mythen transportieren soll. Ergänzt wird der Soundtrack durch trancig ausgebautes, klassischen Pornogedudel, inklusive beigemischten Gestöhns. Nur an entscheidenden sensiblen Stellen der Handlung wird die Musik völlig ausgeblendet, auf dass man das verheißungsvolle Klicken eines Prince-Albert-Piercings an Backenzähnen hören kann oder das sperrige Rascheln eines Latex-Suits.

Das Erstaunlichste indes ist die Zärtlichkeit und einander zugewandte Sexualität inmitten des bewusst übertrieben artifiziellen Sets – in Durchschnittsproduktionen ist meist eher kalter, gewaltaffiner Robotersex in pseudoauthentischen Kulissen (Knast, Küche, Keller) zu sehen. „Million Dollar Boy“ eignet sich wegen seiner spacigen Ästhetik auch als Hintergrundkulisse für Dance-Events oder Privatpartys, auf denen man sich gerade in heterosexuellen Kreisen gerne mal über Analverkehr unterhält. Als Ausweis der eigenen Liberalität. MARTIN REICHERT