Schwarz-Gelb treibt Lehrer aus dem Land

Nordrhein-Westfalen will selbst Lehrer für Mangelfächer nur bis zum Alter von 35 Jahren verbeamten. Profitieren wird nach Einschätzung der Lehrergewerkschaft GEW der Rest der Republik. Lehramtskandidaten sprechen von „Betrug“

DÜSSELDORF taz ■ Nordrhein-Westfalens Lehrerverbände befürchten nach der Aufhebung des Mangelfacherlasses eine Abwanderung von Lehrern in andere Bundesländer. „Wenn NRW den Lehrern unattraktive Rahmenbedingungen bietet, besteht die Gefahr, dass sie in andere Länder gehen“, so der Vorsitzende des Philologenverbandes, Peter Silbernagel. Still und heimlich sei der Mangelfacherlass vor der Sommerpause einkassiert worden. Das sei kontraproduktiv in einer Situation, die von der Konkurrenz der Bundesländer untereinander geprägt sei.

Nach der bisherigen Sonderregelung konnten Lehrer mit Mangelfächern wie zum Beispiel Mathematik und Physik bis zum Alter von 45 Jahren verbeamtet werden. Das reguläre Höchstalter liegt bei 35 Jahren. Damit hat Nordrhein-Westfalen nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ohnehin die niedrigste Altersgrenze bundesweit. Der Mangelfacherlass war im Schuljahr 2000/2001 eingeführt worden, um zu verhindern, dass nordrhein-westfälische Lehrer etwa nach Hessen oder Rheinland-Pfalz gehen. Die frühere Landesregierung von SPD und Grünen hatte den Erlass zuletzt bis 2007 verlängert.

Die Lehrergewerkschaft hält die vorzeitige Aufhebung des Erlasses von der Regierung Rüttgers für rechtswidrig. Mehrere 100 Seiteneinsteiger, die ursprünglich nicht auf Lehramt studiert oder schon in einem anderen Beruf gearbeitet haben, sind nach GEW-Angaben von der Entscheidung betroffen. Für sie bestehe ein Vertrauensschutz, denn sie hätten sich mit Aussicht auf Verbeamtung für die Lehrerlaufbahn entschieden. „Die sind ganz schön gelinkt worden“, sagt Hildegard Merten, Geschäftsführerin der GEW Köln. Denn die Pädagogen hätten nicht nur unter der Aufhebung des Mangelfacherlasses zu leiden, sondern auch unter einem neuen, für sie ungünstigeren Tarifvertrag.

Als Motivation für die Entscheidung des Landes sieht GEW-Referentin Ute Lorenz rein finanzielle Gründe: „Die wollen billige Lehrer.“ Dabei habe Rüttgers noch als Oppositionspolitiker eine generelle Anhebung der Altersgrenze für die Verbeamtung von Lehrern gefordert. Angestellte Lehrer bekommen nach GEW-Berechnungen bis zu 1.000 Euro weniger ausgezahlt als ihre verbeamteten Kollegen. Gerade Quereinsteiger hätten aber oftmals schon Familie. Die fühlen sich jetzt von der Landesregierung verraten: „Auf unserem Rücken ist der Wahlkampf ausgetragen worden – ich empfinde das als Betrug“, sagt Elisabeth Rosenkranz. Die 40 Jahre alte Kölnerin und Mutter von zwei Kindern hat ihren Job als Architektin aufgegeben, um an die Schule zu gehen.

In Rosenkranz‘ Fächern Technik und Mathematik mangelt es an Lehrern. In zwei Wochen macht Elisabeth Rosenkranz ihre Abschlussprüfung – und wird dann doch nicht an einer Schule arbeiten. Das könne sie sich finanziell nicht leisten. „Ich gehe lieber wieder zurück in meinen alten Beruf.“

KATHARINA HEIMEIER