Attentäter erklären Christen zu „Zielen“

IRAK Eine Anschlagsserie in belebten Stadtvierteln von Bagdad fordert über 60 Tote und 360 Verletzte

BERLIN/BAGDAD taz/dpa | Zwei Tage nach der Geiselnahme in einer Kirche in Bagdad haben sich die Attentäter erneut zu Wort gemeldet. Auf islamischen Websites erschien am Mittwoch ein Schreiben im Namen eines „Kriegsministeriums des „Islamischen Staates im Irak“. Die Gruppe hatte sich bereits am Montag zu den Tat bekannt. In dem Text hieß es, Christen seien nun „legitime Ziele“.

Schutz von Kirchen und Moscheen

Am Montag hatte die Gruppe der koptischen Kirche in Ägypten eine Frist von 48 Stunden gesetzt, um zwei angeblich gefangene muslimische Frauen „freizulassen“. Da dies nicht geschehen sei, betrachte man nun alle christlichen Organisationen, Kirchenangehörige und die Gläubigen als „legitime Angriffsziele für die Gotteskrieger“. In Ägypten wurden zusätzliche Polizisten zum Schutz der Kirchen eingesetzt. In Bagdad wurden die Sicherheitskräfte in der Nähe von Kirchen und Moscheen verstärkt.

Der „Islamische Staat im Irak“ ist eine Dachorganisation verschiedener extremer sunnitischer Organisationen mit Verbindungen zu al-Qaida. Bei der Geiselnahme und der anschließenden Befreiungsaktion der Sicherheitskräfte kamen 58 Menschen ums Leben, 75 weitere wurden verletzt.

Bei einer Anschlagsserie am Dienstagabend in Bagdad starben nach offiziellen Angaben 64 Personen. Gesundheitsminister Salih al-Hasnawi sagte, 360 Menschen seien verletzt worden, als kurz hintereinander 15 Autobomben und fünf kleinere Sprengsätze detonierten.

Parlament tritt am Montag zusammen

Einige Beobachter zweifelten Opferzahlen an und erklärten, es seien mindestens hundert Menschen getötet worden. Die Anschläge konzentrierten sich auf belebte schiitische, aber auch auf gemischte Stadtviertel.

Die jüngste Zunahme der Gewalt erfolgt vor einem neuerlichen Termin zur Bildung einer Regierung. Am kommenden Montag tritt in Bagdad das Parlament zusammen, um einen Sprecher zu wählen. Bei den Wahlen im März dieses Jahres hatte Ajad Allawi, Chef des überkonfessionellen Bündnisses al-Irakija, knapp vor dem schiitischen Amtsinhaber Nuri al-Maliki gelegen.

In einem Interview mit der britischen Zeitung Guardian deutete Allawi jetzt erstmals die Möglichkeit an, die Gespräche über eine große Koalition unterschiedlicher politischer Strömungen zu verlassen und Oppositionsführer zu werden. Die USA unterstützen ein breites Regierungsbündnis. B.S.