Kleine Nadelstiche

aus TOKIO MARCO KAUFFMANN

Kaum war die Resolution 1718 verabschiedet, war es im UN-Sicherheitsrat mit der diplomatischen Höflichkeit vorbei. Pjöngjangs UN-Botschafter Pak Gil Yon setzte zu einer Schimpfkanonade an. Seine Regierung lehne die Resolution „total“ ab, das seien „Gangstermethoden“. Sollten die USA ihren Druck auf Nordkorea erhöhen, werde man dies als Kriegserklärung betrachten und „eindeutige Gegenmaßnahmen“ ergreifen. Danach erhob sich Pak vom Gästesitz und zog von dannen. Anschließend verstieg sich US-Botschafter John Bolton zu der Bemerkung, der Nordkoreaner erscheine ihm „als zeitgenössisches Pendant zu Chruschtschow“. Der sowjetische Staatschef hatte 1960 wutentbrannt mit seinem Schuh auf das Pult der Generalversammlung gehämmert.

Die Entscheidung des Sicherheitsrats fiel einstimmig: In der Resolution wird der Atomwaffentest vom 9. Oktober verurteilt und Pjöngjang aufgefordert, auf weitere Atomwaffen- oder Raketentests zu verzichten. Zu den vorgesehenen Sanktionen gehören u. a. ein weitreichendes Waffenembargo, das Verbot der Lieferung von Atomtechnologie und ein Lieferstopp für Luxusgüter. Darüber hinaus sind Reiseverbote und scharfe Kontrollen des Warenverkehrs geplant. Nordkorea soll sich zudem wieder an den Sechsparteiengesprächen mit Russland, China, den USA, Japan und Südkorea beteiligen, aus denen es sich vor einem Jahr zurückgezogen hatte. Auf die Androhung militärischer Gewalt wurde mit Rücksicht auf China und Russland verzichtet.

Japans Regierung, die zusammen mit den USA auf schärfere Formulierungen gedrängt hatte, sprach von einer „historischen Resolution“. Dass der Sicherheitsrat Kapitel 7 der UNO-Charta eingeschlossen habe, sei ein großer Schritt voran, so Außenminister Taro Aso. Japan hatte bereits vor der Abstimmung im Sicherheitsrat seine bilateralen Handelssanktionen verschärft: Seit Samstag gilt generelles Anlegeverbot für nordkoreanische Schiffe. Zusätzliche Strafmaßnahmen, die den Resolutionstext überbieten, werden geprüft. Shoichi Nakagawa, Spitzenpolitiker der regierenden Liberaldemokraten (LDP), regte eine Diskussion darüber an, ob sich Japan nicht mit Atomwaffen schützen sollte. Die pazifistische Verfassung schließe das nicht aus. Ministerpräsident Shinzo Abe hatte vorige Woche bekräftigt, Japan halte an der nuklearen Nichtbewaffnung fest.

In der offiziellen Stellungnahme aus Seoul heißt es, „Südkorea begrüßt und unterstützt die Resolution und wird sie in gutem Glauben verwirklichen.“ Präsident Roh Moo-hyun beriet sich am Sonntag über die möglichen Folgen für die innerkoreanischen Kontakte. Die Regierung scheint zur Interpretation zu neigen, dass ihre Wirtschaftsprojekte in Nordkorea durch die Resolution nicht tangiert sind.

Die Opposition sieht das jedoch anders: Für sie ist klar, dass Diktator Kim Jong Il daraus Devisen generiert, die er für sein Atomwaffenprogramm benötigt.

Im Visier sind die beiden Musterprojekte der sogenannten Sonnenscheinpolitik, der Industriepark in Kaesong und die Tourismusanlage Kumgang: In Kaesong lassen südkoreanische Firmen zu Billiglöhnen Konsumgüter produzieren. Das Regime in Pjöngjang streicht darüber laut Schätzungen monatlich umgerechnet 600.000 Euro ein. Devisen bringen auch die 400.000 Südkoreaner, die pro Jahr das Kumgang-Gebirge besuchen.

China machte am Wochenende klar, dass es die UNO-Resolution zurückhaltend auslegen wird. An den Inspektionen nordkoreanischer Schiffe will sich Peking nicht beteiligen. „Solche Kontrollen können Konflikte schaffen – mit ernsthaften Komplikationen für die Region“, meinte UN-Botschafter Wang Guangya.