KINDER DES MOTIV-T-SHIRTS
: Fickers statt Snickers

„Die Verkäuferin hat mich angeschaut, als sei ich ein Perverser“

Mit Nivea verbinde ich vor allem ein T-Shirt aus meiner Teenagerzeit. Als ich 16 war, waren in meinem Freundeskreis Motiv-T-Shirts in Mode. Auf denen stand dann im Aral-Logo Anal statt Aral. Lust- statt Lufthansa. Oder Fickers statt Snickers. Lauter kluge Wortspiele eben. Ich hatte ein T-Shirt, auf dem in der Mitte das Nivea-Logo abgebildet war. Drumherum stand: Es tat Nivea als beim ersten Mal. Ich könnte jetzt lügen, aber ich habe das T-Shirt damals ziemlich gerne getragen.

Johanna denkt bei Nivea dagegen an einen Satz ihrer Mutter, den sie ihre ganze Kindheit hindurch zu hören bekam: „Damit du keine Elefantenhaut bekommst.“ Und dann rieb ihre Mutter ihr die Ellbogen mit Nivea-Creme ein. Aber jetzt sitzen wir bei Sinan in der Küche. Er fliegt heute Nacht nach Istanbul, und wir bringen ihn nachher mit dem Auto zum Flughafen. „Ich komme mir vor wie ein Drogenkurier“, sagt er. Wir betrachten die zwölf Kilo Nivea-Produkte, die er auf dem Küchentisch aufgereiht hat. Tages- und Nachtcremes, Reinigungstücher, Shampoos, Deos, Clearstrips, Duschgels, Pflegespülungen. Und noch eine ganze Menge mehr.

„Was ist das?“, fragen Johanna und ich wie aus einem Mund.

„Das Hochzeitsgeschenk für meine Cousine“, sagt Sinan. Er seufzt. „Normalerweise schenkt man Gold, aber von mir hat sie sich das hier gewünscht.“

„Das reicht jedenfalls bis zur Silberhochzeit“, sage ich. Sinan nimmt eine Glanzreflexkur für blondiertes Haar in die Hand. „Ihr hättet die Verkäuferin bei Rossmann sehen sollen, als ich die Sachen vor ihr auf das Band gelegt habe. Sie hat mich angeschaut, als sei ich ein Perverser.“

„Der Cremer von Kreuzberg“, sagt Johanna mit dunkler Stimme.

Sinan verzieht sein Gesicht zu einem gequälten Grinsen. „Helft mir lieber beim Packen.“ Das tun wir dann auch. DANIEL KLAUS