Der „weiße“ Tansanier

Seinen Sieg hat Salum Khalfani Bar’wani mühsam errungen. Der 51-Jährige, der bei Tansanias Wahlen am vergangenen Sonntag im 40.000 Einwohner zählenden Ort Lindi zum Parlamentsabgeordneten gewählt wurde, musste sich von den Konkurrenten mehr anhören als die übliche Wahlkampfrhetorik. Der Grund: Bar’wani ist Albino. Ihm fehlen Farbpigmente in Haut, Haar und Augen. „Meine Gegner haben in ihren Wahlkampfreden behauptet, Albinos fehle Vitamin C und deshalb könnten wir nicht denken“, sagt Bar’wani. „Sie haben ihren Anhängern geraten, auf keinen Fall für einen Albino zu stimmen.“

Dass Bar’wani gewann, gegen einen seit 15 Jahren im Parlament sitzenden Abgeordneten der Regierungspartei, feiert er nicht nur als persönlichen Sieg. „Es ist ein Sieg für uns alle“, so Bar’wani. „Die Leute haben mich nicht aus Mitgefühl gewählt, sondern weil sie glauben, dass ich der bessere Kandidat bin – mein Albinismus hat keine Rolle gespielt.“

Ihm ist bewusst, dass er Opfer einer jener Banden hätte werden können, die Albinos in Tansania jagen, töten und in Stücke zerhacken. In weiten Teilen Afrikas gelten Albinos als Glücksbringer. Ihre Körperteile sind Bestandteile von grausamen Ritualen, mit denen Zaubermeister ihrer Kundschaft eine glänzende Zukunft versprechen. Vor ein paar Wochen erst wurde im Nachbarland Burundi wieder einmal ein 14-jähriger Albino ermordet und ausgeweidet. Der Handel mit Albino-Körperteilen ist ein lukratives Geschäft. Mehr als 100 tansanische Albinos, so schätzt die Bürgerrechtsgruppe „Under the same sun“, wurden in den vergangenen zwei Jahren ermordet.

Um den Morden entgegenzuwirken, ernannte der jetzt wiedergewählte Präsident Jakaya Kikwete vor zwei Jahren die Albino-Aktivistin al-Shimaa Kway-Geer zur Abgeordneten. Doch mit Bar’wani haben erstmals die Bürger einen Albino gewählt. Im Parlament will er für Gleichberechtigung kämpfen. Wie schwer das werden wird, zeigt die Reaktion von Außenminister Bernard Membe. Ein Zeichen für die Akzeptanz behinderter Menschen sei Bar’wanis Wahl, erklärte Membe. Als behindert empfinden sich Albinos eben grade nicht. MARC ENGELHARDT