Zeugs fliegt dir um die Ohren

COMIC Spiderman als Kunst betrachtet: Was verändert sich in der Wahrnehmung, wenn man Comicbilder aus dem Kontext der Erzählung löst? Dieser Frage geht die Ausstellung „Journey into unknown worlds – a post apocalyptic tale of humanity“ in der Galerie held art nach

Bei Savage Pencil erzeugen Gerinnsel von Linien den Eindruck, als ob Körper sich in einem Stadium zwischen Entstehen und Zerfall befinden

Apokalyptisch steigt ein Rauchpilz auf aus dem ersten Bild des amerikanischen Künstlers Raymond Pettibon. Er löst metaphorisch die ästhetischen Klassifizierungen auf: Was ist Kunst und was Comic? Wo berühren sich beide? In der Kreuzberger Galerie held art stellt der Kunsthändler und Galerist Matthias Held zu dieser Frage bis zum 20. Dezember Originalzeichnungen von zeitgenössischen Künstlern und Comicgrößen wie Art Spiegelman, Frank Miller oder Robert Crumb aus. Sie alle haben direkt oder indirekt etwas mit den Magazinen MAD und Zap zu tun.

Die Ausstellung „Journey into unknown worlds – a post apocalyptic tale of humanity“ präsentiert die Comicbilder als Einzelexponate. Zugleich ist der Rundgang, der sich in zwei Teile gliedert, so konzipiert, dass die Betrachter die Folge der Bilder durch eigene Assoziationen zu einer Geschichte formen sollen. Jeder der beiden Teile besteht aus einem Prolog, einem Hauptteil und einem Epilog, die sich zum Kontext einer Erzählung fügen.

Teil eins, der mit Pettibons Apokalypse beginnt, bestimmen expressivere Bilder, auf denen anatomische Proportionen ebenso verzerrt erscheinen wie die Anordnungen von Einzelpanels auf Comicseiten. Der zweite Teil unternimmt eine Kehrtwende zu einer realistischeren Darstellung. Die Körper gewinnen ihre ursprüngliche Erscheinungsform zurück. Nach der Tabula Rasa der Apokalypse werden Wasser und Überschwemmung zu Leitmotiven.

Daneben nimmt ein Schaukasten mit Comicausgaben den gewohnten Präsentationsmodus auf. Hier werden die als Einzelbilder ausgestellten Panels wieder in den Rahmen der jeweiligen Bände eingegliedert. Eine farbige Seite aus der Serie „Bucky O’Hare“ etwa macht den direkten Vergleich möglich zwischen den beiden Arten, Bilder auszustellen.

Während Besucher die Schwarz-Weiß-Zeichnung des DC-Zeichners und Szenaristen Michael Golden an der Wand als Teil der explosiven Auflösung der Welt im Apokalypsekapitel wahrnehmen, neigt man bei der entsprechenden Farbseite im Buch dazu, das Bild nach Elementen abzusuchen, die sich mit den folgenden Bildern zu einer Geschichte zusammensetzen könnten.

Die Ausstellung vereint 45 Arbeiten von 21 Künstlern: phantastische Zeichnungen und Science Fiction-Comics, Fantasyhelden wie Conan der Barbar und Superhelden wie Spiderman, eine Zeichnung von Paul Gauguin oder auch eine Collage, die der schwedische Künstler Öyvind Fahlström aus MAD-Heften erstellte.

Prominent vertreten sind Bob Camp und Savage Pencil. Bob Camp arbeitete als Zeichner und Cover-Illustrator für Marvel Comics. Seine Seiten bestechen durch ihre Raumaufteilung und das Gefühl von Ruhe und Bewegung. Savage Pencil ist das Pseudonym des englischen Musikers und Musikjournalisten Edwin Pouncey. Auf seinen Bildern erzeugen Gerinnsel von Flächen und Linien den Eindruck, als ob Körper sich in einem Stadium zwischen Entstehen und Zerfall befinden.

Matthias Held bietet alle Exponate in seiner Galerie zum Verkauf an. Er bewegt sich in der zeitgenössischen Kunstszene, hatte aber von jeher ein Faible für die Comic-Kultur des Undergrounds, vor allem die Zap Comix von Robert Crumb: „Dort sind die Einzelbilder expressiver und nicht erzählerisch. Deswegen gehen sie stärker in Richtung Kunst.“ WALDEMAR KESLER

■ Bis 18. Dezember, Öffnung der Galerie held art , Erkelenzdamm 61, nach Vereinbarung, Tel.: 48 81 60 48