Cooles Leben

Agenten der ZIA verrieten am Dienstag Interna über das Wesen von kapitalistisch-sozialistischen Geheimbünden

Mittwochabend im Münzsalon: Die Zentrale Intelligenz Agentur (ZIA) stellt sich vor, auf Geheiß des Literarischen Colloquiums, welches hiermit seine Reihe „Subversionen“ einläutet. Und es stapeln sich die 20- bis 40-Jährigen aus Mitte und Prenzlauer Berg, die allesamt wissen wollen, wie das geht, ohne Festanstellung und Wecker, dafür mit Freunden und Kreativität Geld zu verdienen.

An der Aufgabenstellung, Texte zur eigenen Gründung vorzutragen, lesen Kathrin Passig, Natalie Balkow, Holm Friebe und Wolfgang Herrndorf erfolgreich vorbei. Natalie erzählt Skurriles von Weihnachten zu Hause, was nichts zur Sache tut, aber amüsant ist, Herrndorf berichtet über verhasste Autoren (Joachim Lottmann) und pummlige, blonde Autorinnen kitschiger Texte, die im Leipziger Literaturinstitut vom Fließband purzeln. Passig tut kund, was sie für ihre neue Rolle als Schriftstellerin von anderen Schriftstellern gelernt habe. Etwa solle sie bloß nicht zu viel Leitungswasser trinken, aber dringend mal Karen Duve kopieren und nicht unbedingt jeden Satz mit Ich beginnen. Letzteren Rat ignoriert sie formell komplett, inhaltlich ist sie aber, wie auch ihre Kollegen, weit entfernt von der Beschäftigung mit diesem Ich, das sich hinter Rollenkonstrukten, Halbwahrheiten und Ironie versteckt. Und Holm Friebe sagt: „Die ZIA verwandelt intellektuelle Obsessionen in geschmeidige Kulturformate.“ In Bunny-Lectures, Powerpoint-Karaoke, Kolumnen – und handwerklich verdammt gut gebaute Texte, für die „geschmeidig“ tatsächlich das richtige Wort ist.

Der Münzsalon ist ein Members-Club nach englischem Vorbild. Es gibt den großen Salon, der kalt und klar mit schwarzen Lederbänken und weißen Tischen ausgestattet ist, das gemütlich-kitschige Kaminzimmer in Rot, das grüne Jagdzimmer. Die Zuhörer sehen genauso verkommen-schick aus wie die Möbel, an denen sie lehnen, und sie saugen begierig die Botschaft der ZIA auf: Trotz überall lauernder Unterschicht, trotz mangelnder Finanzhilfen für Berlin: Dein Leben kann immer so cool sein wie heute Abend, wenn du unbeirrbar tust, was du wirklich kannst. Die ZIA macht’s vor.

Ernste Literatur oder zumindest Gespräche darüber verweigern die Autoren-Agenten dem Literarischen Colloquium, stattdessen spinnen sie lustig und kurzweilig weiter an den Mythen und Aufschneidereien, die sich um ihr Netzwerk ranken, nehmen weder sich noch den Literaturbetrieb ernst und sind dabei aber selbst äußerst ernst zu nehmen in ihrer Suche nach Wegen, ohne öffentliche Gelder und feste Gehälter Kunst und ein halbwegs selbstbestimmtes Leben zu verwirklichen.

Der ZIA in gediegenem Rahmen beim lakonischen Mythenspinnen über die eigene Geschichte zuzuhören, hat Spaß gemacht. Doch dürfte sich solch ein Abend wohl nicht zur mehrfachen Wiederholung eignen.

CORNELIA GELLRICH