Der Rückhalt bröckelt

DIKTATUR Unter den elf Kandidaten gibt es nur zwei, die eine Rolle spielen könnten. Der Westen fordert freie Wahlen, Moskau rückt von Lukaschenko ab

BERLIN taz | Am 19. Dezember finden in Weißrussland Präsidentschaftswahlen statt. Bislang haben elf Kandidaten die 100.000 Unterschriften vorgelegt, die für die Teilnahme an den Wahlen erforderlich sind. Auch Präsident Alexander Lukaschenko, der seit 1994 regiert, bewirbt sich um ein weiteres, vierjähriges Mandat.

Lukaschenko wurde bereits während der ersten Amtszeit wegen seiner autoritären Politik kritisiert und gilt als „letzter Diktator Europas“. Oppositionelle und Kritiker wurden verhaftet, starben unter ungeklärten Umständen oder verschwanden spurlos. So wurde am 3. September 2010 der Begründer und Chefredakteur des unabhängigen Internetportals Charter97, Oleg Bebenin, in seinem Haus in der Nähe der Hauptstadt Minsk tot aufgefunden. Offizielle Ermittlungen gehen von Selbstmord aus, Mitstreiter von Bebenin und viele Beobachter hingegen bezweifeln das.

Die meisten weißrussischen Medien stehen unter staatlicher Kontrolle, die Berichterstattung ist einer strengen Zensur unterworfen. So ist etwa Beleidigung des Präsidenten ein Straftatbestand. Die wenigen noch unabhängigen Medien werden mit Gerichtsverfahren überzogen und in ihrer Verbreitung behindert, Mitarbeiter werden unter Druck gesetzt.

Wahlbeobachter der OSZE bestätigten, dass seit dem Machtantritt Lukaschenkos alle Wahlen in Weißrussland manipuliert wurden. Das gilt auch für das Referendum von 2004, bei dem sich Lukaschenko die Möglichkeit einer unbegrenzten Wiederwahl sicherte und laut offiziellen Angaben fast 80 Prozent der Wähler zugestimmt haben sollen.

Bislang genoss Lukaschenko die Rückendeckung Moskaus. Das hat sich inzwischen geändert. Vor einigen Monate starteten russische Medien einen regelrechten „Informationskrieg“ gegen Lukaschenko. Der Moskauer Fernsehsender NTV zeigte eine Dokumentation, in dem Lukaschenko als Psychopath dargestellt und beschuldigt wurde, Oppositionelle ermorden zu lassen. Russlands Präsident Dmitri Medwedjew unterstellte in seinem Videoblog seinem Amtskollegen unlängst antirussische Motive. Zudem nannte er Lukaschenkos Vorwürfe gegenüber Russland bei dessen Wahlkampfveranstaltungen hysterisch.

Von den elf Gegenkandidaten Lukaschenkos dürften nur zwei tatsächlich eine wichtigere Rolle spielen. Nach Angaben von Charter97 sind dies die beiden Oppositionellen Wladimir Nekljajew und Andrei Sannikow. Der Journalist und Schriftsteller Nekljajew, Chef der bürgerlichen Kampagne „Sag die Wahrheit!“, fordert Demokratie und Pressefreiheit in Weißrussland. „Alle Lokalbehörden und Richter müssen frei gewählt werden“, fordert er. Außenpolitisch müsse das Land eine gute Partnerschaft mit Europa und Russland bilden. Der Chef der Bürgerbewegung „Europäisches Belarus“, Andrei Sannikow, verbindet die Zukunft Weißrusslands stärker mit Europa.

Außenminister Westerwelle reiste vergangenen Dienstag mit seinem polnischen Amtskollegen Sikorski nach Minsk. Dort mahnten sie bei einem Treffen mit Lukaschenko freie und faire Wahlen an. ADILYA ZARIPOVA