WAS UNS EIN REKORDGROSSES OZONLOCH LEHREN KANN
: Die Klimapolitik ist viel zu langsam

Ein gutes Beispiel für politische Schlafmützigkeit: Obwohl die Wissenschaft 1974 zweifelsfrei die menschheitsbedrohende Wirkung der Fluorchlorkohlenwasserstoffe – kurz FCKW genannt – nachwies, dauerte es 13 Jahre, bis Politik reagierte. FCKW, so hatte Wissenschaft entdeckt, zerstört in der Stratosphäre jenes Ozon, das alles Leben vor Krebs erregender UV-Strahlung schützt. Im Montrealer Protokoll verpflichteten sich schließlich 1987 alle wesentlichen Staaten, FCKW zu verbieten. Trotzdem ist das Ozonloch jetzt so groß wie nie.

Ein schlechtes Beispiel für politische Schlafmützigkeit: Obwohl die Wissenschaft bereits Anfang der 60er-Jahre die menschheitsbedrohende Wirkung der Klimakillergase – hauptsächlich Kohlendioxid – nachwies, dauerte es 45 Jahre, bis die Politik endlich handelte. Erst seit Inkrafttreten des Kioto-Protokoll 2005 gibt es ein Instrument gegen die Gefahr. Im Unterschied zum FCKW-Protokoll aber funktioniert das CO2-Protokoll nicht. Erstens hat Kioto nicht die ganze Welt unterschrieben, sondern gerade mal die Hälfte aller Kohlendioxid-Emittenten. Zweitens werden selbst die Unterzeichner des Kioto-Protokolls ihre Verpflichtung nicht erfüllen können. Kanada, achtgrößter CO2-Verschmutzer, hat zum Beispiel gerade erklärt, seine Kioto-Vorgaben nicht 2012, sondern erst 2050 erfüllen zu wollen. Und während, drittens, schließlich das Montrealer Protokoll FCKW zu hundert Prozent verbot, hat das Kioto-Protokoll gerade mal eine Senkung um 5,2 Prozent des CO2-Ausstoßes von 1990 zum Ziel. Das geht auch gar nicht anders: arbeiten, fortbewegen, ernähren, konsumieren, reagieren, regieren – überall entsteht CO2. Und anders als beim FCKW gibt es keinen Ersatzstoff, der weniger Schaden anrichtet.

Setzt man die aktuellen Anstrengungen der Politik ins Verhältnis zur Größe des Klimaproblems und teilt dies durch die Zeit, die zu seiner Bekämpfung bleibt, so wird klar: Politik bewegt sich noch nicht einmal im Schneckentempo. Im November tagt der nächste Klimagipfel in Nairobi. Im Vorfeld jedenfalls ist nichts erkennbar, das zur Beschleunigung beitragen könnte. NICK REIMER