CSU scharf auf Homo-Wähler

Im neuen Familienkapitel des CSU-Programms tauchen bisher unbekannte Wesen auf: Homosexuelle, Alleinerziehende und erziehende Väter. Erste Proteste der CSU-Ultras

MÜNCHEN taz ■ Es ist nur ein kurzer Satz. Doch er schreckt weite Teile der CSU auf. „Die CSU anerkennt, wenn in diesen Partnerschaften Menschen füreinander einstehen und verlässlich Verantwortung und Sorge füreinander übernehmen.“ Mit „diesen Partnerschaften“ sind Schwule und Lesben gemeint. Sie kommen somit erstmals im neuen Familienkapitel des CSU-Programms vor, das heute in München vorgestellt wird. Für die bayerische Volkspartei kommt es einem Kulturschock gleich.

Früher mochte Edmund Stoiber Worte, die „diese Partnerschaften“ beschreiben, nicht in den Mund nehmen. Da könne er ja gleich Teufelsanbetung betreiben, sagte er einmal. Jetzt aber scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass es wohl auch unter den Abtrünnigen zu umgarnende Wähler geben könnte – gerade in den drei größten bayerischen Städten München, Augsburg und Nürnberg, die alle von lebensweltlich liberaleren Sozialdemokraten regiert werden. Aber weil die Christlich Soziale Union eine Meisterin im Nachformen gesellschaftlicher Gegebenheiten ist, reagiert sie zwar spät, aber doch rechtzeitig mit einem Zweijahrespuffer, um bei der Landtagswahl für konservative Homos als wählbar dazustehen.

Die CSU öffnet sich in ihrem Achtseitenpapier weit für eine bislang unbekannte Klientel. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden zur Kenntnis genommen, auch zu sogenannten wilden Ehen, die im katholischen Hinterland immer noch schwer denkbar sind, gibt’s neuerdings was: „Partnerschaftliche Lebensentwürfe zu verwirklichen und Kinder auf das Leben vorzubereiten, das kann in ganz unterschiedlichen Strukturen gelingen“, heißt es geschraubt. Auch wird „insbesondere die Leistung von Alleinerziehenden“ plötzlich gewürdigt.

Ebenfalls neu ist, dass sich auch Männer um die Kindererziehung kümmern dürfen oder sogar sollen. Gerade jungen Männern müsse „ihre wichtige Funktion und Erziehungsverantwortung vermittelt werden“, findet die CSU.

Für viele Menschen sind solche Themen längst abgehakt. Für die CSU – eine Partei, deren Vorsitzender seine Frau öffentlich „Muschi“ nennt – ist diese Neuordnung des Gesellschaftsbildes schwierig. Der streng-konservative Flügel formiert sich schon. Acht CSU-Bundestagsabgeordnete haben gefordert, auf die Erwähnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu verzichten. „Die bloße Beschreibung der Realität hätte wenig Zukunftsweisendes“, heißt es von der Gruppe, denen vier Abgeordnete der Jahrgänge 70 und jünger angehören. Man dürfe „Modernität nicht mit Angepasstheit an den Zeitgeist“ verwechseln.

Junge-Union-Chef Manfred Weber ist dagegen der Ansicht, dass „das Kind im Mittelpunkt stehen muss, nicht die Lebensform“. Er sieht im neuen Familienbild einen „deutlichen Fortschritt“. Noch weiter geht die Lesben- und Frauenunion, die eine Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft verlangt.

Alois Glück, Programmchef und altersweiser Diplomat der CSU, hat in den letzten Tagen beschwichtig. Es sei falsch, in das Familienkapitel die „explizite Anerkennung homosexueller Familien“ hineinzuinterpretieren.

MAX HÄGLER