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: Außenminister mit falscher Energie

Carl Bildt hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das meint nicht nur Schwedens Amnesty-Generalsekretär Carl Söderbergh. Stockholms neuer Außenminister hat nämlich ausgeprägte wirtschaftliche Interessen am russischen Gasgeschäft. Es geht um Aktien und Optionen für rund eine Million Euro an Gesellschaften, die an Gazprom beteiligt sind. Von diesen will er sich nicht trennen: „Es ist doch ein Vorteil, wenn ein Außenminister etwas von dem versteht, was in der Welt und in der Wirtschaft passiert“, weist er alle Kritik ab. Doch kann ein Außenminister glaubwürdig die Linie der EU vertreten, wenn er zugleich persönliche ökonomische Interessen an der Gegenseite hat? „Der Mann hat kein Urteilsvermögen“, kritisiert Kristian Gerner, Professor und Osteuropaexperte: „In diesem Amt darf man nicht im Geringsten mit der aggressiven Wirtschaftspolitik eines Nachbarlands in Zusammenhang gebracht werden.“ Aber der 57-jährige frühere Premier (1991–94) und Ex-Chef der konservativen „Moderaten“ (1986–99) zieht sich darauf zurück, dass es keine „formalen Hindernisse“ gebe, solche Beteiligungen zu besitzen.

Damit hat er sich nun erste Rücktrittsforderungen von Medien und seitens der Opposition eingehandelt. Binnen zwei Wochen steht mit ihm das dritte Mitglied des Regierungsteams von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt im Kreuzfeuer. Anders als die zurückgetretenen Handels- und Kulturministerinnen ist Bildt, der mit Anna Maria Corazza verheiratet ist und neben dem zweieinhalbjährigen Gustaf einen Sohn und eine Tochter aus früherer Ehe hat, ein politisches Schwergewicht. Der Flug- und Raumfahrtenthusiast war schon vor seiner Rückkehr auf die politische Bühne für seine Aktivitäten bei der Ölprospektierungsfirma Lundin, die auch im vom Bürgerkrieg heimgesuchten Sudan engagiert ist, kritisiert worden. Den Vorstandsposten bei „Lundin Petroleum“ gab er Anfang Oktober auf. Die umstrittenen Gazprom-Beteiligungen erwarb er im Januar 2006 auf dem Höhepunkt der russisch-ukrainischen Energiekrise. Ein gutes Geschäft: Sie stiegen danach kräftig im Wert.

In der Privatwirtschaft landete Bildt, weil nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Premiers, dem anschließenden EU-Maklerauftrag in Exjugoslawien und dem Posten als UN-Repräsentant auf dem Balkan der erhoffte Ruf auf einen EU-Topposten nicht erfolgte. Aktuell taucht der frische Außenminister in Zusammenhang mit Spekulationen um die mögliche Nachfolge des EU-Außenbeauftragten Javier Solana auf. Von seinen Gazprom-Interessen müsste er sich dann wohl erst recht verabschieden.

REINHARD WOLFF