Zusammen ist schlechter

HOCHZEIT US-Kabelriese Comcast will seinen größten Konkurrenten, Time Warner Cable, schlucken. Es würde ein Gigant mit Quasi-Monopol entstehen – zum Nachteil für die Kunden und Unternehmen wie Netflix

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Comcast preist seinen neuesten Übernahmeplan mit einem simplen Satz an: „Zusammen ist besser.“ Es mache das Leben online „schneller, sicherer, verlässlicher und billiger“. Der größte Konzern auf dem US-amerikanischen Kabelmarkt will den zweitgrößten – Time Warner Cable – schlucken. 45 Milliarden Dollar will Comcast dafür auf den Tisch legen. Falls die US-Regierung dem Deal zustimmt, wird ein Gigant auf dem Medienmarkt entstehen, von dem 60 Prozent aller US-amerikanischen Breitband-Haushalte abhängen werden – mit Internetzugang, Fernsehen und in vielen Fällen auch Telefonanschluss.

Kunden und Verbraucherverbände sind anderer Meinung als der Konzern. Sie beklagen Wucherpreise, das Diktat bei der Auswahl der Kabelkanäle und miserable Kundendienste. Der Konsumenten-Blog The Consumerist erteilte Comcast diesen Monat schon zum zweiten Mal die Auszeichnung „Schlimmstes Unternehmen in Amerika“. Und im vergangenen Jahr schnitten Comcast und Time Warner Cable (TWC) auf dem „American Customer Satisfaction Index“ als die beiden US-Unternehmen mit den unzufriedensten Kunden ab.

Ein Entkommen von den beiden Konzernen gestaltet sich vielerorts in den USA schon jetzt schwierig. Die großen Kabel-Anbieter – allen voran Comcast und Time Warner Cable – haben den Wettbewerb bereits de facto abgeschafft. Sie haben das Land in Gebiete aufgeteilt, in denen sie jeweils allein herrschen. Das gilt auch für die Ballungsräume: Wer in New York City, Los Angeles oder San Antonio Internet und Kabelfernsehen haben will, hat oft keine andere „Wahl“ als Time Warner. Hingegen hat Comcast Monopole in Philadelphia, in Washington und in weiten Teilen der Provinz. Die Gebühren, die Kabelkunden in den USA an die Anbieter zahlen müssen, betragen oft mehr als 200 Dollar pro Monat. Dabei sind die Qualität und Geschwindigkeit des Internet oft schlechter als in europäischen Ländern.

Heftige Kritik an der Fusion kommt vom Videoportal Netflix, das einen großen Teil seiner Filme über die beiden Konzerne im Internet streamt. In einem Brief an seine Aktionäre warnte Netflix-Chef Reed Hastings Anfang dieser Woche davor, dass der Zusammenschluss den beiden Konzernen „noch mehr wettbewerbsschädigende Möglichkeiten“ geben würde, um „willkürliche“ Gebühren von Unternehmen zu verlangen. Comcast hat das kalifornische Unternehmen Netflix kürzlich gezwungen, höhere Gebühren zu zahlen, um die Streamingqualität zu verbessern. „Ich glaube nicht, dass wir wollen, dass jemand die Hälfte des US-Internets kontrolliert“, fügte Hastings gegenüber seinen Aktionären hinzu.

Comcast reagierte umgehend auf den Vorwurf: „Kein anderes Unternehmen verteidigt die Offenheit im Internet stärker als Comcast“, hieß es in einer Presseerklärung. Der in Philadelphia ansässige Konzern hat am Dienstag seine Ergebnisse für das erste Quartal dieses Jahres veröffentlicht. Comcast hat im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr seine Einnahmen um 13,7 Prozent erhöht – auf 17,4 Milliarden Dollar (ca. 12,6 Milliarden Euro). Seit seiner Gründung im Jahr 1963 hat Comcast (eine Wortschöpfung aus „Communication“ und „Broadcast“) mit zahlreichen Übernahmen ein Imperium aufgebaut. Inzwischen beliefert der Kabelbetreiber seine Kunden nicht nur mit fremden Inhalten, sondern erzeugt auch selbst Programme, hat nationale und regionale Fernsehsender und ist seit vergangenem Jahr hundertprozentiger Eigentümer von NBC Universal, dem drittgrößten Medienunternehmen der Welt.

Die Kontrolleure im Justizministerium und in der Bundes-Kommunikationsbehörde haben bislang noch jede Übernahme durch Comcast durchgewunken. Der Kabelkonzern hat einen der größten Lobbying-Haushalte aller US-Unternehmen. Und manche Lobbyisten waren zuvor Kongressabgeordnete. Unter anderem hat Comcast auch beide Wahlkämpfe von Barack Obama großzügig finanziell unterstützt.

Eine größere Gefahr als von den Politikern droht dem Kabelkonzern vonseiten der „Cord Cutter“: von Kunden, die ihre Verträge mit Kabelkonzernen kündigen und das traditionelle Fernsehen verlassen. In den vergangenen Jahren haben das fast sieben Millionen Haushalte getan. Viele von ihnen leisten sich dann nur noch einen Internetanschluss und nutzen Anbieter wie Hulu und Aereo, bei denen sie – für deutlich niedrigere Gebühren – TV-Programme ihrer Wahl im Internet anschauen können.