Und niemand schreit vor Glück

ZALANDO Der Onlinehändler schließt ein Lager bei Potsdam. Kurz zuvor waren dort Betriebsratswahlen angekündigt worden. Die Firma bestreitet einen Zusammenhang

Verträge würden nicht verlängert, wenn Mitarbeiter Betriebsräte fordern, glaubt Ver.di

VON JULIA NEUMANN

2012 eröffnete der Online-Modehändler Zalando ein Lager in Marquardt bei Potsdam, jetzt wird er wieder geschlossen. Die 50 Mitarbeiter müssen zum 31. Dezember gehen. Nur wenige können an anderen Standorten weiterarbeiten: im brandenburgischen Brieselang oder in Erfurt. Erst wenige Tage zuvor waren Betriebsratswahlen in Marquardt angekündigt worden.

Zalando gilt als ein Hoffnungsträger der Berliner Start-up-Szene. Der Onlinehändler verkauft Schuhe und Klamotten übers Internet. Die Preise sind niedrig, die Einkäufe kommen per Post nach Hause. Was nicht gefällt, geht wieder zurück. Zalando ist aber immer noch in den roten Zahlen. Hauptproblem ist die Rückgabequote von mehr als 50 Prozent der bestellten Artikel.

Dennoch ist Zalando schnell in die Spitzenliga im europäischen Modehandel aufgestiegen. Um sich dort zu halten, muss die Logistik höchstmöglich effizient sein. Schließlich fällt hier der große Teil der Kosten an. Konkurrent Amazon kennt das: Der Online-Versandhändler liegt seit Monaten im Clinch mit der Gewerkschaft Ver.di, die sich mit Streiks wehrt.

Nun sagt Ver.di Zalando den Kampf an. „Diese Befristungsnummer muss ein Ende haben, sagt der bei Ver.di für Onlinehandel zuständige Stefan Najda. Nur wenige Mitarbeiter seien unbefristet beschäftigt. Daher gebe es auch noch keine Betriebsräte bei Zalando. „Wir sind dabei, Betriebsratswahlen anzustoßen, aber Zalando reagiert sofort, wenn das Wort Betriebsrat in den Mund genommen wird.“ Najda fürchtet, dass Verträge nicht verlängert werden, wenn Mitarbeiter Betriebsräte fordern.

In Marquardt soll die Ankündigung zur Betriebsratswahl laut Ver.di schon am schwarzen Brett gehangen haben. „Wenige Tage danach wurde eine außerordentliche geschäftliche Versammlung einberufen. Auf der wurde den Beschäftigten die Information gegeben, dass das Werk schließt“, sagt Uwe Diedrich von Ver.di in Potsdam.

„Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe“, kontert Zalando-Sprecher Boris Radke. Die Kritik von Ver.di sei „Kampagnenmanagement“. Dass der Standort nun geschlossen wird, läge nicht an anstehenden Betriebsratswahlen. Dass es auch an anderen Standorten keinen Betriebsrat gibt, läge an den Mitarbeitern. „Sie müssen sagen, dass sie einen Betriebsrat haben wollen.“ Der älteste Standort sei drei Jahre alt. „Wir starten gerade einen Logistikbetrieb. Mit unbefristeten Anstellungen würden wir falsche Erwartungen schaffen.“ Der Standort in Marquardt sei nur ein Zwischenlager gewesen, in dem frühzeitig geschickte Artikel für die kommende Saison gelagert wurden. „Dass der Mietvertrag jetzt ausläuft, daran ändert auch ein Shitstorm nichts“, so Radke.

„Ich will nicht sagen, dass die Schließung direkt mit der anstehenden Betriebsratswahl zu tun hat“, sagt Ver.di-Mann Diedrich dazu. Aber Zalando hätte durch den gewählten Zeitpunkt den Vorteil, dass keine Verhandlungen mit einem Betriebsrat über die Schließung geführt werden müssten.

Erst kürzlich hatte eine Journalistin für RTL verdeckt im Erfurter Logistikzentrum gearbeitet. Ihren Alltag filmte sie mit versteckter Kamera. Zu sehen sind Vorgesetzte, die verkünden, dass Sitzen während der Arbeitszeit unerwünscht sei. Der Krankenwagen habe fast täglich vor der Tür gestanden, kritisiert die Journalistin. (mit dpa)