„Das gesamte Paket“

ERNÄHRUNG Herzspezialist Helmut Gohlke über die Vorzüge der mediterranen Kost – und andere Faktoren für ein gesundes Herz

■ 68, ist Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, Leiter der Projektgruppe Prävention der Gesellschaft für Kardiologie und Mitglied der „Task Force Prevention“ der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie.

INTERVIEW NIELS HOLSTEN

taz: Herr Gohlke, die Deutsche Herzstiftung empfiehlt eine mediterrane Ernährung, um Herzerkrankungen vorzubeugen. Warum gerade die Mittelmeerküche?

Helmut Gohlke: Das geht schon auf die fünfziger Jahre zurück. Da hat man in Studien festgestellt, dass es auf Kreta und den Mittelmeerländern praktisch keine Herzerkrankungen gibt. Damals wurde das auf den weitestgehenden Verzicht auf tierische Fette zugunsten pflanzlicher Fette zurückgeführt. Davon ist man aber mittlerweile abgekommen.

Welches sind denn für Sie die wichtigsten, die unentbehrlichen Elemente?

Das kann man eigentlich so nicht sagen. Es ist immer wieder versucht worden, den einzelnen Faktor herauszusuchen, der die Mittelmeerküche wirksam macht. Das haut aber so nicht hin. Es ist das gesamte Paket.

Auch das Klima und die entspanntere Lebenseinstellung vielleicht?

Na ja, kucken sie sich die Arbeitslosenzahlen an, besonders die Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent. Arbeitslosigkeit bedeutet in hohem Maße Stress. Dass das nicht gesund ist, liegt auf der Hand. Es gibt aber auch fantastische Untersuchungen aus Finnland, die herausgefunden haben, dass diejenigen, die als Kind viel Obst und Gemüse gegessen haben und dies auch als Erwachsene weiter taten, die gesünderen Gefäße hatten. Das weist schon darauf hin, dass die Ernährung eine wichtige Komponente ist.

Kann man das überhaupt so rausrechnen, welchen Anteil die Ernährung an der Verhinderung von Erkrankungen hat? Letztendlich gibt es ja eine Vielzahl von Faktoren, die ein Leben ausmachen.

Das ist richtig. Bildungsstand, Einkommen und die berufliche Situation sind da zum Beispiel ganz wichtige Faktoren. Ebenso Rauchen oder nicht Rauchen und körperliche Aktivität. Das wird in den Studien aber alles berücksichtigt. Es gibt da auch einen gewissen Paradigmenwechsel. Früher hat man gesagt, das ist ganz schlecht, wenn du das und das machst. Jetzt liegt der Fokus auf die Gesundheit erhaltenden Faktoren – also ausreichende Bewegung und so weiter. Und eben auch auf gesunder Ernährung.

Welchen Anteil kann denn eine mediterrane Ernährung im besten Fall an der Gesundheit haben?

Die mediterrane Kost wird bis zu 30 Prozent verantwortlich gemacht für eine Verminderung der kardiovaskulären Ereignisse. Die Datenbasis ist relativ solide. Es gibt mittlerweile Untersuchungen an über 570.000 Personen aus den USA und Europa, bei denen die Ernährungsgewohnheiten erfasst worden sind. Dort hat man dann auch mal gekuckt, wie hoch der Anteil an mediterraner Kost ist, und wie die Wirkung auf kardiovaskuläre Ereignisse. Man hat herausgefunden: Je höher der Anteil an mediterraner Kost in der Ernährung, desto weniger kardiovaskuläre Ereignisse gibt es. Es ist ja auch nicht nur die Deutsche Herzstiftung, die mediterrane Kost empfiehlt, sondern auch die Europäische Gesellschaft und die American Heart Association – das ist unisono.

Halten Sie sich denn selbst streng an ihre Empfehlungen? Also statt dick Butter aufs Brot, die Scheibe lieber in Olivenöl tunken …

Ja, im Großen schon – wir essen zum Beispiel viel Obst und Gemüse. Butter ist aber schon noch ein gewisser Favorit. Aber wesentlich reduziert. Wenn ich früher auf jedes Brot Butter geschmiert habe, kann es jetzt auch mal nur eine Apfelscheibe sein.

Was gibt es denn heute bei Ihnen zu Mittag?

Wahrscheinlich Spargel.

Mit Sauce hollandaise und Schinken?

Nee, nur mit Kartoffeln und flüssiger Butter. Fleisch nur noch ganz wenig. Es ist ja so, wenn man so viel darüber redet, dann verinnerlicht man das auch irgendwann. Gar nicht so von heute auf morgen, das geht mehr über das Unterbewusste. Und man stellt fest, das ist ja ganz gut so. Ich ernähre mich heute ganz anders, als ich mich vor 20, 30 Jahren ernährt habe. Damals haben wir täglich Fleisch gegessen, und das war normal. Dann hat man über die Tierhaltung auch nicht die positivsten Sachen gehört. Heute essen wir vielleicht ein bis zwei Mal die Woche Fleisch.