Städte nutzen letzte Chance zur Abschiebung

In drei Wochen diskutiert die Innenministerkonferenz über ein Bleiberecht für geduldete Flüchtlinge. Manche Ausländerbehörden schaffen da noch schnell Fakten – und schieben Flüchtlinge trotz Krankheit ab

WARENDORF taz ■ Hätte die Ausländerbehörde drei Wochen gewartet, wäre Kiddenan Thadchanamoorthy vielleicht noch in Warendorf. Doch die Beamten haben abgeschoben, drei Wochen bevor ein Bleiberecht für geduldete Flüchtlinge eingeführt werden könnte. Jetzt sitzt der Tamile nach Vermutungen seines Anwalts Reiner Hartdorf in einem Gefängnis in Sri Lanka, seine kranke Frau und seine drei Kinder stehen vor dem Nichts.

Thadchanamoorthy war 12 Jahre in Deutschland, hatte eine feste Stelle in einer Reinigungsfirma, sein ältester Sohn ging seit zwei Monaten zur Schule. Wird das Bleiberecht wie derzeit diskutiert eingeführt, erhalten geduldete Flüchtlinge, die länger als sechs Jahre in Deutschland leben und deren Kinder schon in die Schule gehen ein dauerhaftes Bleiberecht. Auch Familie Tadchanamoorthy hätte demnach in Deutschland bleiben können.

Bis zu 15.000 geduldete Flüchtlinge in NRW könnten durch die Änderung ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Deutschlandweit würden bis zu 90.000 begünstigt. Die Bedingungen werden schon seit Monaten diskutiert. Mitte November soll eine Entscheidung fallen.

Die meisten Städte und Kreise in NRW schieben die Bleiberechts-Anwärter deshalb zurzeit nicht ab. „Wir legen diese Fälle erst einmal beiseite“, so selbst Sprecher von CDU-regierten Kommunen zur taz. Die Ausländerbehörde Warendorf sieht das anders: „ Wir sind an Recht und Gesetz gebunden. Wir hatten keine andere Wahl“, sagte der Landrat des Kreises Warendorf, Olaf Gericke bei einer Demonstration gegen die Abschiebung der Familie aus Sri Lanka. Trotz Eilanträgen seines Anwaltes wurde die Familie am Mittwoch ins Flugzeug nach Colombo gesetzt.

Dass die Kommunen sehr wohl eine Wahl haben, zeigen dagegen die Städte Köln und Leverkusen. „Familien, die von der neuen Regelung begünstigt werden könnten, werden erst einmal zurückgestellt“, sagt Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Die Städte berufen sich auf die europäische Menschenrechtskonvention. Danach kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Person integriert ist. „Bei der Beurteilung haben die Kommunen natürlich einen großen Spielraum“, so Prölß.

Warendorf, aber auch andere Kommunen nutzen diesen Spielraum für eine rigorose Abschiebepraxis. So wird auch der Kreis Kleve am Niederrhein die Anwärter auf Bleiberecht nach wie vor abschieben. „Kleve ist für seine harte Ausländerpolitik bekannt“, sagt die Grüne Kreistagsabgeordnete Elisabeth Fischer.

Im Frühling hatte der Kreis sechs Familien abgeschoben, die nach Einschätzung der Härtefallkommission des NRW-Innenministeriums eigentlich Anspruch auf Aufenthalt hätten. Die Begründung der Ausländerbehörde: Es gebe eine hohe Anzahl ähnlich gelagerter Fälle, die sich nicht an die Härtefallkommission gewandt haben – und abgeschoben wurden. Damit alle Flüchtlinge gleich behandelt würden, müsse das auch für die Härtefälle gelten. Dabei erklärt sogar das Innenministerium in einem Erlass, dass Ersuchen der Kommission nicht mit dem Hinweis auf Gleichbehandlung pauschal abgelehnt werden dürfen.

Flüchtlingsorganisationen hoffen, dass dies durch klare Richtlinien für ein Bleiberecht künftig nicht mehr möglich ist – und der Spielraum der Ausländerbehörden eingeschränkt wird. Anwalt Reiner Hartdorf aber bleibt skeptisch: „Wenn die jemanden abschieben wollen, finden sie auch in Zukunft eine Lücke.“ MANFRED GÖTZKE