Cooler Look mit Kleingedrucktem

Viele Mode-Label haben sich dem fairen Handel verschrieben – allerdings vor allem intern. Keines von ihnen wirbt ausdrücklich damit, dass seine Mode fair gehandelt ist. Bewusstsein soll auf subtile Weise geschaffen werden

Es gibt schon Gütesiegel, doch die kennt keiner, und jedes hat andere Kriterien

Die Boutique Belleville liegt an einer Ecke des Rosa-Luxemburg-Platzes im Berliner Bezirk Mitte. Sie passt hier gut hin: In den Schaufenstern hängt junge Designermode, innen im Laden gibt es eine Bar, an der man nach getanem Einkauf einen Café trinken kann, der einem von der jungen, trendig angezogenen Verkäuferin serviert wird.

Doch das Belleville unterscheidet sich von den meisten anderen Boutiquen in Berlin-Mitte. Denn hier wird ausschließlich Mode verkauft, die unter fairen Bedingungen hergestellt ist. „Ich suche mir meine Labels selber aus. Ich will wissen, wo und wie sie ihre Mode produzieren“, erklärt Besitzerin Fredericke Winkler. „Für mich ist es selbstverständlich, nur fair gehandelte Mode zu verkaufen.“

Eines der Labels, die Fredericke Winkler sich für ihren Laden ausgesucht hat, ist Misericordia. Das 2004 gegründete Label produziert in Peru. In zwei Werkstätten sind insgesamt 15 Näher beschäftigt. Sie verdienen 25 Prozent mehr Geld als durschnittliche peruanische Näher. Von dem Überschuss, den Misericordia erwirtschaftet, werden soziale Projekte in Peru gefördert. Wenn man also ein Kleidungsstück von Misericordia kauft, weiß man nicht nur genau, woher es kommt, sondern man leistet gleichzeitig Entwicklungshilfe. Das hat seinen Preis: Ein T-Shirt kostet mindestens 50 Euro.

Misericordia ist eines von vielen sogenannten ethical brands, ethischen Modelabels. „Als Mitte der 90er herauskam, unter welchen Bedingungen die großen Modemarken produzieren, kam dieses neue Bewusstsein für fairen Handel auf“, sagt Fredericke Winkler. Seitdem werden immer neue ethische Labels gegründet: Edun, El Naturalista, Seyes, Veja und Noir sind nur einige Beispiele. Sie alle haben sich den fairen Handel auf die Fahne geschrieben – allerdings vor allem intern. Keins von ihnen wirbt ausdrücklich damit, dass seine Modeartikel auch fair gehandelt sind.

Kuyichi ist eine holländische Jeansmarke, die von der Entwicklungshilfeorganisation Solidaridad ins Leben gerufen wurde. Kuyichi-Gründer Toni Tonnear sagt: „Wir wollen auf subtile Weise ein neues Bewusstsein schaffen. Deshalb haben wir uns entschieden, unsere Produkte in normalen Shops zu vertreiben. So erreichen wir ein breiteres Publikum, das sich gar nicht in erster Linie für Fair Trade interessiert.“ Wer es genauer wissen will: Auf kleinen Schildern in den Jeans lassen sich die ethischen Prinzipien von Kuyichi nachlesen.

Robert Hertel steht dem Boom der ethischen Modelabel skeptisch gegenüber. Hertel ist Geschäftsführer von HempAge, einer Firma, die auf Bestellung für Modelabels Kleidung aus ökologisch angebautem und fair gehandeltem Hanf herstellt. Er fordert ein internationales Gütesiegel, um eine bessere Kontrolle über die Herstellungsbedingungen bei den Modefirmen zu erzielen. „Es gibt zwar schon sehr viele kleinere Gütesiegel, doch die kennt keiner, und außerdem hat jedes unterschiedliche Kriterien.“

Dem stimmt Fredericke Winkler zu, doch von einem zusätzlichen Gütesiegel hält sie nichts. Ihr Credo: „Es ist das einzig Sinnvolle, direkt zu den Labels zu gehen und selber zu gucken, wie und mit welchen Materialien sie ihre Mode produzieren.“

SOPHIE DIESSELHORST