Kein Schlusspfiff in Bochum

Die vierte Heimschlappe, wieder verliert Bochum gegen einen Konkurrenten. Immerhin passt Trainer Koller gut zum Verein: Gleichermaßen stoisch erdulden Vorstand und Coach den Niedergang

Als Koller mit der Hand ins Gesicht fuhr, rasselten Auslöser: „Hingerichtet“

AUS BOCHUM CHRISTOPH SCHURIAN

Hatte Klaus Augenthaler Recht? War der Schlusspfiff von Schiedsrichter Helmut Fleischer wirklich das beste am Spiel zwischen Bochum und Wolfsburg?

Fleischers sauber geblasener Schlusston gehört sicher in die engere Auswahl – neben Augenthalers Volleyschuss vor der Bank, bei dem auch der Schuh des Wolfsburger Trainers durch die Luft flog und dem Versprecher von Bochums Besten: Zum einzigen Treffer des Spiels – einer einfachen Kombination aus Flanke-Grätsche-Tor der Wolfsburger Jacek Krzynowek und Mike Hanke – sagte VfL-Torwart Alexander Bade, „Fehler fallen halt durch Tore“. Er verbesserte sich – aber der Lapsus war verständlich. Nach der vierten Niederlage im fünften Heimspiel blieb dem Aufsteiger wieder nur die Analyse von Fehlern und Gegentreffern. Da kann man sich schon mal vertun.

Im Niederlagen erklären hat nun auch VfL-Trainer Marcel Koller einige Übung sammeln können. Im Presseraum redete er im Trainingsanzug also über „ein absolutes Scheißspiel“, seine harmlose, langsam aufspielende Mannschaft, der die Laufbereitschaft und das Glück fehle und ab der 52. Minute Verteidiger Marcel Maltritz wegen wiederholtem Foulspiel : „So kommt alles zusammen“, sagte Koller dann – und plötzlich endete sein Statement, mitten im Satz. Ein Vorzeichen auf den üblichen Trainer-Rauswurf?

Nicht ganz. Obschon der Fußballlehrer nicht mehr erklären kann oder mag, woran es eigentlich liegt, dass sein Team nicht die Kraft auf den Rasen bringt, um in der Bundesliga zu bestehen, wird Koller geschont, herrscht an der Castroper Straße ein trüber Fatalismus. Trotz Tabellenende und fünf Punkten schloss Sportmanager Stefan Kuntz einen Trainerwechsel erneut aus. Und auch die „Koller raus“-Rufe sind zwar nicht zu überhören, doch werden sie nur zaghaft aufgegriffen – selbst von der Bild-Zeitung. Und im regionalen Fußballblatt Reviersport darf Trainer Koller eher Fragen zu „Trimm-Trab-Spielern“ wie Regisseur Zvjezdan Misimovic beantworten als zu dem Weg aus dem Tabellenkeller.

Die fahle Bochumer Betrübnis erklärt sich auch aus dem Spiel heraus. Bis auf die emsigen Stürmer Junior und Gekas war wiederum keiner der VfL-Profis in der Lage, einen Gegenspieler auszuspielen. Umgekehrt schaffte es Wolfsburgs Krzynowek auch nach seiner Torvorbereitung immer wieder, unbedrängte Flanken zu schlagen. Kein Wunder, Gegenspieler Christoph Dabrowski blieb japsend zurück. Doch nicht der körperlich überforderte Ex-Hannoveraner wurde in der 61. Minute ausgewechselt. Es traf Misimovic, der gewohnt langsam, aber dennoch in Bewegung blieb. Ein Pfeifkonzert begleitete ihn vom Platz – ob es der Leistung des Spielmachers galt oder Kollers Entscheidung; wer weiß es?

Außer Torwart Bade hatte nur Mittelfeldler Filip Trojan hernach eine Meinung zum Spiel. Der junge Tschechen jammerte über ausgelassene Torchancen, er selbst hebelte allein 13 Ecken in den Wolfsburger Strafraum. Ob es nicht an der Laufbereitschaft mangele, wie der Trainer es monierte? „Das haben wir uns nicht vorzuwerfen!“, sagte Trojan barsch. Was seine Kollegen wohl in die Presseblöcke diktiert hätten? Immerhin war diese schiefe Verlierer-Stanze besser abgesprochen: „Wir müssen uns die drei Punkte eben in Hannover zurückholen“, so Bade, Trojan, Koller.

Auch wenn im Verein keine Trainerdiskussion geführt wird, wenn die Presse lieber andere Sündenböcke sucht, auf die Fußball-Fotografen ist Verlass: Im Presseraum stellten sie ihre Objektive nur auf Marcel Koller ein und warteten. Als der Trainer sich das eine Mal mit der Hand ins Gesicht fuhr, rasselten die Auslöser. „Hingerichtet“, murmelte jemand.