Dritter Freispruch, dritte Revision

Schwerkranker darf Marihuana nutzen. Das bestätigt Gericht erneut. Staatsanwaltschaft prozessiert weiter

Dreimal ist Peter S. bereits freigesprochen worden. Doch die Staatsanwaltschaft gibt nicht auf. Gestern legte sie erneut Revision ein. Sie will den 44-Jährigen verurteilt sehen – wegen illegalen Drogenbesitzes. Den gibt der Angeklagte zu. Das in seiner Wohnung angebaute Marihuana habe er jedoch nur zur Selbsttherapie eingesetzt.

Peter S. leidet unter Aids, Hepatitis C und einer krankhaften Veränderung des Nervensystems. Marihuana nimmt er für Sitzbäder, er rührt Salben an und braut Tees, um seine Beschwerden zu lindern. Da es die Droge offiziell nicht zu kaufen gibt, hatte er sie in seiner Wohnung angebaut. Im Februar 2002 hatte die Polizei in der Wohnung des 44-Jährigen ein knappes Kilo Marihuana beschlagnahmt.

Das Amtsgericht Tiergarten sprach S. jedoch im April 2004 frei. Der Richter sah einen „medizinischen Notstand“ als erwiesen an. Zudem sei das einzige in Deutschland verfügbare Medikament, das synthetisch hergestellten Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthält, wegen der Nebenwirkungen für S. nicht anwendbar.

Die Staatsanwaltschaft akzeptierte das Urteil nicht. In zweiter Instanz wurde S. vom Landgericht zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verknackt. Dieses Urteil hob im Januar 2006 wiederum das Kammergericht auf. Eine erneute Verhandlung vor dem Landgericht endete in der vergangenen Woche mit dem dritten Freispruch für Peter S.

Zum Grund für die erneute Revision konnte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald, gestern noch nichts sagen. „Es muss erst auf die schriftliche Urteilsbegründung gewartet werden.“

„Es wäre ein Durchbruch für Schwerstkranke gewesen, wenn dieser Urteilsspruch endlich rechtskräftig würde“, sagt der Anwalt Lüko Becker, der S. vor Gericht vertritt. Es handele sich um einen politischen Prozess und die Staatsanwaltschaft spiele sich „als Hüterin des Abendlandes“ auf, meint Becker.

Für S. selbst ist die neue Revision eine Zumutung: „Ich dachte, jetzt ist mal Ruhe. Der seit Jahren andauernde Stress ist für meine Gesundheit nicht förderlich.“ Eine Verurteilung käme für ihn einem „Todesurteil“ gleich. Zudem wisse er nicht, wie er die dann auf ihn zukommenden Prozesskosten bezahlen solle.

S. hat nach Angaben seines Anwalts beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Erlaubnis für den Drogenanbau beantragt. Die sei aber noch nicht erteilt.

Nun muss nochmals das Kammergericht ran. Sollte es den letzten Freispruch bestätigen, wäre das Verfahren rechtskräftig beendet. Andernfalls wird vor dem Landgericht ein drittes Mal verhandelt. JÖRG MEYER