Von der Theaterbühne direkt auf das Amt

SCHAUSPIEL Während die staatlichen Schulen begehrt sind, haben die privaten ein Imageproblem

„Musstest du ihn auf mich laden, diesen furchtbaren Beruf?“, fragt Katharina Boltz auf der Bühne des Renaissance Theaters in Berlin-Charlottenburg. Sie spielt die Johanna aus Schillers „Jungfrau von Orleans“ bei einem Vorsprechen von 14 Nachwuchsspielern. Alle kommen aus privaten Schauspielschulen, die in einem Verband das Image ihres Ausbildungsweges aufpolieren wollen.

Alles nur Vorurteile?

Die Gründe für den etwas schlechten Ruf liegen teils bei den Schauspielern: „Die Vorurteile entstehen durch schlecht ausgebildete Absolventen von privaten Schulen“, sagt Norbert Ghafouri, der selbst spielt, Regie führt und auch lehrt. Daraus ergebe sich, dass fähige Schulabgänger aus dem nichtstaatlichen Bereich oft gar nicht erst wahrgenommen würden. Ghafouri ist Vorsitzender des im März gegründeten Verbandes privater deutschsprachiger Schauspielschulen. Seine Filmschauspielschule Berlin gehört mit Ausbildungsstätten aus ganz Deutschland zu den insgesamt neun Mitgliedern. Verbandsvorschriften wie eine Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren und eine Mindestanzahl von 400 Unterrichtsstunden im Halbjahr sollen Qualitätsstandards vorgeben.

Der Saal im Renaissance Theater ist spärlich mit Theaterintendanten, Filmproduzenten und Castern besetzt. Insgesamt 40 Nachwuchsspieler hätten vorsprechen können, doch bereits vor dem Termin fand eine Auswahl statt. Eine Jury um Ghafouri, in der auch Film- und Fernsehregisseur Alain Gsponer saß, wählte 14 Talente heraus.

Es fehlt an Standards

Axel Pape, Fernseh- und Theaterschauspieler, sieht das Imageproblem als Resultat der „Grauzone“ vieler Angebote, die keine hohe Qualität haben. Unseriöse Workshops brächten den Teilnehmern nichts. Dass staatliche Absolventen oftmals bessere Chancen bekommen, erklärt sich Pape mit dem Weg des geringsten Widerstandes: „Das System nimmt alles gern, was einfach ist.“ Bekannte Adressen wie die Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ werden im Lebenslauf schnell zum Türöffner.

Außerdem gibt es große finanzielle Unterschiede, da die staatlichen Ausbildungsstätten mit öffentlichen Geldern finanziert werden: „Die staatlichen Schulen kriegen pro Student etwa 35.000 Euro pro Jahr“, sagt Ghafouri. Zum Vergleich: Die Freie Schauspielschule Hamburg, ebenfalls Verbandsmitglied, erhebt für ihre dreijährige private Ausbildung monatlich 440 Euro Kursgebühren. 83 Schüler besuchen sie derzeit.

Noch dazu gilt der Arbeitsmarkt einigen mehr als übersättigt. Ghafouri kennt die Argumente: „Es gibt auch die Fraktion, die sagt: Es gibt eh genug Schauspieler. Wozu noch private Ausbildung? Die Staatlichen leisten alles, was man braucht.“ Dass mehr Angebot als Nachfrage besteht, liegt für Bodo Fürneisen, Filmregisseur und Dozent an der staatlichen Konrad-Wolf-Hochschule für Film und Fernsehen, jedenfalls auf der Hand: „Bei den künstlerischen Berufen ist es ein offenes Geheimnis, dass nicht jeder, der darin ausgebildet ist, auch dort arbeiten kann. Allein von der Auftragslage her.“

Der Markt ist voll

Dazu komme eine Art Gründungswahn. Man müsse sich überlegen, was getan werden könne, damit nicht „jedes Jahr drei private Schauspielschulen öffnen“. Im Austausch mit Lehrern aus dem privaten Bereich will sich Fürneisen künftig deswegen der alles entscheidenden Frage widmen, wie viel Personal der deutsche Medienmarkt überhaupt verkraften kann.

TILMAN QUEITSCH