Milizionäre pokern um OSZE-Männer

GEISELN Die Separatisten in Slawjansks wollen die Militärbeobachter der OSZE nur nach Rücknahme der EU-Sanktionen freilassen. Die Bundesregierung möchte eine Schulddiskussion vermeiden

VON ULRIKE WINKELMANN
UND RALF LEONHARD

WIEN/BERLIN taz | Wegen der EU-Sanktionen gegen führende prorussische Aktivisten in der Ostukraine drohen die Separatisten, festgesetzte Militärbeobachter aus der EU nicht freizulassen.

„Wir kehren erst zu einem Dialog über den Status der Kriegsgefangenen zurück, wenn die EU diese Zwangsmaßnahmen zurücknimmt“, sagte der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, am Dienstag. Die Aktivisten halten seit Freitag mehrere Militärbeobachter gefangen, die im Namen der OSZE unterwegs waren, darunter drei Bundeswehroffiziere und einen Dolmetscher aus der Bundesrepublik Deutschland.

Die betroffenen Staaten und die OSZE verlangen vehement nach einer Kooperation Russlands zur Befreiung der sieben Männer. Ein Schwede war Sonntag aus Gesundheitsgründen freigelassen worden. Bei einem Treffen des Ständigen Rates der OSZE unter Beteiligung der Botschafter der Mitgliedstaaten am Montag hatte sich der russische Botschafter Andrei Kelin nach den Worten des deutschen OSZE-Botschafters Rüdiger Lüdeking „dazu bekannt“, die Freilassung der Inspektoren zu erwirken.

Wer nun diese Inspektoren genau wohin geschickt hat, blieb in Berlin am Dienstag weiterhin nicht ganz klar. Informationen über den Hergang der Ereignisse gibt es offiziell noch nicht einmal von dem freigelassenen schwedischen Teilnehmer.

Vor Ort bemüht sich die OSZE nun auf Wunsch Deutschlands darum, die Männer auf diplomatischem Weg herauszuholen. Chef der OSZE-Verhandler ist ein türkischer Diplomat namens Ertogrul Apakan. Das Beobachterteam war wie die drei Vorgängerteams seit Mitte März auf Bitten der Ukraine gemäß dem „Wiener Dokument“ unterwegs. Es handelt sich also nicht um eine OSZE-Mission im engeren Sinne, sondern um eine in diesem OSZE-Dokument vorgesehene Mission, die allen 57 OSZE-Mitgliedern, auch Russland, zur Kenntnis gegeben wurde.

Die Bundesregierung will aktuell keinesfalls über die Schuldfrage reden – ob etwa bei der Auswahl der Route Risiken übersehen wurden. Hierzu erklärte der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russischen Beziehungen, Gernot Erler (SPD), am Dienstag im Deutschlandfunk: „Wahrscheinlich wird man irgendwann die Frage stellen, wer eigentlich entschieden hat, wohin die gehen.“ Doch müsse es gegenwärtig darum gehen, die Männer freizubekommen. „Ich meine, alles andere wird man vielleicht später auch noch mal diskutieren“, sagte Erler.

Zum Hergang der Ereignisse gibt sich die Bundesregierung daher sehr auskunftsarm. Nach taz-Informationen hat die Ukraine Anfang März die Bitte um Militärbeobachter an die OSZE in Wien gefunkt, diese hatte die Bitte an alle Mitglieder weitergegeben, die sich dann zu verschiedenen Teams zusammentaten.

Der Großraum, in dem solche Beobachtergruppen unterwegs sind, wird offenbar von OSZE und organisierendem Land, im aktuell schiefgelaufenen Fall also Deutschland, bestimmt. Das Team legt dann in Absprache mit den begleitenden ukrainischen Kollegen die Route selbst fest. Zum Zeitpunkt der Geiselnahme sei ein ukrainisches Polizeifahrzeug vor dem Bus der Beobachter hergefahren, heißt es. Diese seien in Zivil gewesen.

Es soll dank deutlicher Warnungen keine Absicht bestanden haben, nach Slawjansk selbst hineinzufahren, noch nicht einmal einem Checkpoint habe man sich nähern wollen, heißt es in Berlin. Der ausgesprochen gut informierte Blog „Augen geradeaus“ schrieb am Dienstag, der Konvoi sei laut unbestätigten Angaben etwa vier Kilometer vor der Stadt aufgebracht worden.