Mit Despoten an einem Tisch

Der deutsche Außenminister Steinmeier macht in Zentralasien seine Aufwartung. Die Reise dient der Vorbereitung einer neuen Strategie im Umgang mit der Region

BERLIN taz ■ Sehnsüchtig wird heute der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier vom usbekischen Staatschef Islam Karimow erwartet. Die erste Reise eines deutschen Außenministers durch alle zentralasiatischen Staaten, die am Montag begann, dient der Vorbereitung der Zentralasienstrategie. Unter der deutschen EU-Präsidentschaft soll sie den Beziehungen zu der an Despoten und Rohstoffen reichen Region neue Impulse geben. Staatsminister Gernot Erler erklärte Anfang Oktober gegenüber dem Handelsblatt, dass die beiden Diktaturen Turkmenistan und Usbekistan ausdrücklich in diese Strategie mit einbezogen würden. „Auch bei dem umstrittenen Europarats-Vorsitz Russlands hat sich gezeigt, dass auf Länder stärker Reformdruck ausgeübt werden kann, wenn sie in multilateralen Organisationen eingebunden sind“, sagte Erler wenige Tage bevor in Moskau die russische Journalistin Anna Politkowskaja erschossen wurde.

Den gewünschten Dialog mit Usbekistan behindern jedoch EU-Sanktionen gegen das zentralasiatische Land. Sie wurden wegen des Massakers von Andischan vor einem Jahr ausgesprochen, bei dem am 13. Mai 2005 usbekische Sicherheitskräfte wahllos von Panzerwagen aus eine mehrtausendköpfige Menschenmenge zusammengeschossen hatten. Dabei wurden mehrere hundert Menschen getötet. Bis heute verweigert sich die usbekische Regierung einer internationalen Aufklärung des Massakers und hat das Land mit einer grausigen Repressionswelle überzogen.

Die Strafmaßnahmen beinhalteten ein EU-Einreiseverbot für zwölf usbekische Staatsbeamte, ein Waffenembargo und die Aussetzung des EU-Partnerschaftsabkommens. Im November steht die Entscheidung der EU-Außenminister an, ob die Sanktionen gegen Usbekistan verlängert werden sollen. Es ist in Brüssel ein offenes Geheimnis, dass deutsche Diplomaten fieberhaft daran arbeiten, die Sanktionen gegen Usbekistan aufzuheben. Bereits am Donnerstag vergangener Woche hatte das Europaparlament empfohlen, die Sanktionen zu mildern, obwohl es gleichzeitig die andauernden massiven Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan beklagt.

Kurz vor Steinmeiers Reise hatte der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestags Usbekistan besucht und von der deutschen Regierung einen kritischeren Umgang mit der usbekischen Regierung gefordert. „Die Einhaltung der Menschenrechte muss Vorrang haben“, sagte der CDU-Politiker und stellvertretende Ausschussvorsitzende Holger Haibach. Haibach regte an, den Bundeswehrstützpunkt in Termes zu überdenken, um gegenüber der usbekischen Regierung unabhängiger agieren zu können. Die Bundeswehr koordiniert von der südusbekischen Provinzstadt aus den Afghanistaneinsatz.

Die ebenfalls mitreisende SPD-Politikerin Angelika Graf sieht in der Menschenrechtssituation in Usbekistan kaum Anlass zum Optimismus. „Folter ist an der Tagesordnung“, sagt Graf. Es gäbe keine Zivilgesellschaft, die ohne Gefahr für Leib und Leben und unabhängig vom Staatsapparat agieren könnte.

Die beiden Politiker fordern, dass die Sanktionen gegen Usbekistan beibehalten werden sollen, solange keine deutlichen Verbesserungen sichtbar seien und die usbekische Regierung einer Aufklärung des Massakers zustimmt. Jedoch solle der Dialog weitergehen, sonst nütze das nur Karimow und seiner Regierung, sagt Graf.

Während die deutsche Regierung noch um den richtigen Umgang mit der usbekischen Despotie ringt, wirbt die usbekische Botschaft in Deutschland mit Zitaten des Leiters des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Usbekistan, Reinhard Krumm. Auf der Webseite der usbekischen Botschaft wird eine Nachricht der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zitiert, derzufolge der FES-Mitarbeiter gesagt habe, dass die Bevölkerung in Usbekistan zufrieden sei. „Im heutigen Leben der Usbeken gibt es positive und negative Momente, aber mehr Positives“, sagte Krumm. Zudem beklagt er, dass der Westen allzu streng über Usbekistan urteile. Weder die FES-Stiftung in Berlin noch Krumm in Taschkent wollten sich trotz mehrmaliger Nachfrage äußern, ob die Zitate korrekt seien.

MARCUS BENSMANN

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