Selbstverbrennung aus Protest gegen Islam

Im Erfurter Augustinerkloster hat sich ein Pfarrer angezündet. Sein Fanal stößt in der Kirchenführung auf Unverständnis

DRESDEN taz ■ Einen Tag nach seiner Selbstverbrennung ist ein pensionierter evangelischer Pfarrer aus Erfurt am Mittwoch seinen schweren Brandverletzungen erlegen. Der 73-jährige Roland W. hatte sich am Reformationstag im Erfurter Augustinerkloster mit Benzin übergossen und angezündet. Zuvor hatte er offenbar vergeblich versucht, mit dem Benzinkanister durch ein verschlossenes Seitenportal in die Kirche zu laufen und in den Gottesdienst zu gelangen. Von Kirchenbesuchern zunächst unbemerkt, setzte er sein Vorhaben dann in einer Baugrube am Kloster um. Schwestern und Klostermitarbeiter leisteten erste Hilfe, bevor er in eine Spezialklinik nach Halle geflogen wurde.

Zeugen des schockierenden Geschehens hörten W. noch „Jesus und Oskar“ rufen. 1976 hatte sich in Zeitz der Pfarrer Oskar Brüsewitz aus Protest gegen DDR-Repressalien und die seiner Meinung nach opportunistische Haltung der Kirchenleitung selbst verbrannt und war zu einem Märtyrer der DDR-Opposition geworden.

In einem Abschiedsbrief an seine Frau, aus dem diese gegenüber der Erfurter Pröpstin Elfriede Begrich zitiert hat, ist von der „Sorge um die Ausbreitung des Islam in Deutschland“ die Rede. Zugleich habe er um Verzeihung für seine Tat gebeten. Ein weiterer angeblicher Brief an die Pröpstin, der genaueren Aufschluss über die Motive des Pfarrers geben könnte, ist bei ihr noch nicht eingetroffen.

Pröpstin Begrich sagte, dass W. bereits seit Jahren mehr Aufmerksamkeit für die Auseinandersetzung mit dem Islam gefordert und dabei auch eine angeblich zögerliche Haltung der Kirche kritisiert habe. Radikale oder fundamentalistische Züge habe sie aber bei diesen verbalen Äußerungen nie beobachtet, sagte sie der taz. Anzeichen für eine geistige Verwirrung seien nicht zu erkennen gewesen. W. war bis 1989 Pfarrer in dem Erfurter Vorort Windischholzhausen, galt als weiterhin aktiv in der Gemeinde und leistete noch vor zwei Wochen Gottesdienstvertretung.

Begrich stellte klar, dass sie sich mit dieser Form des Protestes keinesfalls identifizieren könne. Ähnlich hatte sich der für die Erfurter Protestanten zuständige Magdeburger Bischof Axel Noack geäußert: „Wir Menschen verfügen nicht über das Leben.“ Das von dem Theologen genannte Motiv mache die Sache außerdem nicht leichter, sondern komplizierter. Das Thema Islam werde im Osten noch sehr theoretisch und in engen Zirkeln diskutiert. Hier sei „der praktische Alltag des Miteinanders nicht gegeben“, räumte Noack ein. Ein Pfarrer müsse aber in der Lage sein, das Thema theologisch zu reflektieren. Noack warnte zugleich vor einem „Kulturstreit“.

Der Thüringer Landesbischof Christoph Kähler, der auch EKD-Ratsvize ist, nannte das von dem Theologen angegebene Motiv unverständlich. In Thüringen seien keine negativen Erfahrungen im Zusammenleben von Christen und Muslimen bekannt.

In christlichen Kreisen Erfurts sprach sich die Selbstverbrennung erst mit Verzögerung herum. Neben Bestürzung war auch Kritik an einem nachgeahmten und „falsch verstandenen Opfertod Christi“ zu hören.

MICHAEL BARTSCH