Keine Geheimnisse im Dienst

Bürgermeister unter Druck: Sein Staatsrat Schön gesteht, geheimen Bericht über die Protokollaffäre an Bild gegeben zu haben. Von Beust weiß dies seit Monaten – und sah keinen Grund zum Handeln

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Er habe „das nicht so dramatisch“ gefunden, sagt Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Sein Staatsrat Volkmar Schön (CDU) habe ihm mitgeteilt, dass er einen Auszug aus dem vertraulichen Gedaschko-Bericht (siehe Kasten) an die Bild-Zeitung gegeben habe. Das habe er „zur Kenntnis genommen“, sagt von Beust: „Es war seine Entscheidung gewesen.“

Was da so lapidar ausgebreitet wurde am späten Freitagabend im Rathaus, hat das Zeug zu einem handfesten Skandal. Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Protokoll-Affäre des Senats gestand Schön, eine Passage mit diskreditierendem Inhalt über den SPD-Abgeordneten Thomas Böwer an das Springerblatt „gefaxt“ zu haben, das die Passage am 29. März veröffentlichte. Sie enthält die Behauptung des kurz zuvor entlassenen Staatsrates der Sozialbehörde, Klaus Meister, Böwer habe ihn im Februar mit einer politischen Erpressung wegen der Skandale im Heim Feuerbergstraße gedroht.

Der Gedaschko-Bericht aber ist bis heute eine vertrauliche Verschlusssache des Senats, zeitweise war er Grundlage für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Mitarbeiter mehrerer Behörden wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen. Schön hingegen behauptet nun, es sei „ja kein Dienstgeheimnis gewesen“, dass er verraten habe.

So sieht das auch der Bürgermeister, dessen zweistündige Vernehmung vor dem PUA erst zu nächtlicher Stunde um 21 Uhr begann. Damals, am 29. März, gab es vom Gedaschko-Bericht nur drei Exemplare: Eins hatte von Beust, die beiden anderen Schön und Gedaschko. Er habe „etwas Schadenfreude verspürt“, gibt der Bürgermeister zu, als er den Auszug an jenem Morgen in der Bild las.

Einen Anlass, nach der undichten Stelle in seinem engsten Umfeld zu suchen, sah er allerdings nicht, obwohl er am Nachmittag in der Bürgerschaft eine Rede zur Protokollaffäre und zur Entlassung von Justizsenator Roger Kusch zwei Tage zuvor halten musste. Schön habe ihn erst einen Tag später von seinem Vorgehen in Kenntnis gesetzt. „Der war halt sauer gewesen über Herrn Böwer“, sagt von Beust, für den die Angelegenheit damit erledigt war – mehr als sieben Monate lang.

Die rot-grüne Opposition sieht das naturgemäß anders. „Das ist der Verlust jeglichen Anstandes“, sagte gestern GAL-Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch. Der Bürgermeister habe „sein Saubermann-Image verloren“, urteilten die beiden grünen Mitglieder des PUA, Till Steffen und Christian Maaß, die am Freitagabend Schön und von Beust stundenlang mit Fragen gelöchert hatten. Bürgermeister und Staatsrat seien sogar „zu politischen Mittätern geworden“, befindet der SPD-Obmann im PUA, Andreas Dressel. Es müsse nun geprüft werden, ob „ihr Agieren strafbar oder nur rechtswidrig war“.

CDU-Obmann Harald Krüger hingegen will „kaum etwas Neues“ erfahren haben, SPD und GAL aber gedenken, von Beust und Schön „bestimmt noch mal vor den Ausschuss zu laden“, kündigt Dressel an. Es gebe da „noch ein paar Widersprüche zu klären“.