Ehe mit Türken spaltet Rechtsextreme

Der Miniaufmarsch der Neonazis am Wochenende in Bremen zeigt auch die eigene Zerstrittenheit. Weil die Frau, die ihn angemeldet hatte, einmal mit einem Türken zusammen war, diskutierten viele Kameraden lieber die Gesundheitsreform

AUS BREMEN CHRISTIAN JAKOB
UND ANDREAS SPEIT

Weit kamen die etwa 70 Neonazis in Bremen am Samstag nicht. Rund 7.000 Demonstranten stellten sich den Rechten um NPD-Landeschef Horst Görmann entgegen. „Kehrt marsch!“ hieß es für die Rechten schon nach einem halben Kilometer.

Verärgert schimpfte der „Freie Kameradschafts“-Anführer Christian Worch über „Werteverfall“ und „Verweichlichung“ bei der Polizei. Am Freitag hatte das Oberverwaltungsgericht den Aufzug der Rechtsradikalen zugelassen, nachdem die Stadt ihn wegen „nicht beherrschbarer Sicherheitslage“ untersagt hatte. Die erwarteten Ausschreitungen blieben bei den Gegenaktionen aber weitgehend aus. 2.300 Polizisten waren in Bremen im Einsatz, fünf Beamte wurden verletzt, rund 200 Demonstranten in Gewahrsam genommen.

Dass der NPD-Aufmarsch so klein und zahm ausfiel, ist auf Streitigkeiten um die Demo-Anmelderin Gabriela Yardim innerhalb der norddeutschen Neonazi-Szene zurückzuführen. Die Bremerin war mit einem Türken verheiratet. Aus dieser Beziehung ist ihre Tochter Louisa hervorgegangen – aktives Mitglied der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Dass Mutter und Tochter „halb ausländisch“ seien, störte die braunen Kameraden im Umland. „Die Demonstration der NPD Bremen wird von uns nicht unterstützt“, erklärten Kameradschaften im Vorfeld der Demo – die „eigene Ideologie“ werde auf diese Weise „verraten“. Auch einige NPD-Gruppen sowie die JN Niedersachsen boykottierten den Marsch. Stattdessen veranstaltete die JN im Neonazizentrum Heisenhof bei Verden ein „Aktionswochenende gegen die Gesundheitsreform“.

In Bremen hätte sie ein heißer Empfang erwartet. Viele Anwohner, Familien und Migranten waren dem Aufruf zur Gegendemo gefolgt. Türkische Frauen mit Kopftuch hielten „Schöner leben ohne Nazis“-Plakate hoch. „Keinen Meter“ war das Motto der NPD-Gegner. Seit Wochen hatte sich ein Bündnis aus über 80 Initiativen unterschiedlichster Couleur vorbereitet. Die Demonstranten drängten in Richtung Neonazi-Route, während die Sicherheitskräfte immer wieder versuchten, sie abzudrängen. Eine Polizeikette schoben die NPD-Gegner beiseite, doch dann setzten die Beamten Pfefferspray und Schlagstöcke ein, der Demonstrationszug kam an einer Absperrung mit Wasserwerfern zum Stehen. Der Forderung, die Versammlung aufzulösen, folgten die Demonstranten aber nicht. Unter den Teilnehmern war auch Oberbürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), der sich allerdings kritische Töne anhören musste. „Die Stadt muss aufhören, die Neonazis zu verharmlosen“, forderte die Sprecherin einer Antifa-Initiative. Die Kameradschaftsszene sowie Rechtsrockstrukturen würden von der Stadt kleingeredet. „Nicht nur die Nazis, auch der Staat verhält sich rassistisch“, sagte der Sprecher einer Flüchtlingsgruppe und erinnerte an den seit Wochen andauernden Asylbewerberstreik aus dem nahen Ausreiselager Oldenburg.