„Die Bundesregierung hat sich positioniert“

ZEUGE Roderich Kiesewetter, CDU, will Snowden befragen. In Russland gern – in Deutschland nicht

■ 50, ist CDU-Politiker und Oberst a. D. der Bundeswehr. Seit 2009 sitzt er im Bundestag. Im April 2014 wurde er zum Obmann von CDU/CSU im NSA-Untersuchungsausschuss ernannt. Er folgte damit auf seinen Parteikollegen Clemens Binninger, der überraschend zurückgetreten war.

taz: Herr Kiesewetter, die Bundesregierung hat Edward Snowden ausgeladen. Ihr Ausschuss-Kollege Christian Flisek von der SPD hält die Befragung Snowdens in Deutschland trotzdem für möglich. Teilen Sie diese Einschätzung?

Roderich Kiesewetter: Ich finde es grundsätzlich sinnvoll, Edward Snowden anzuhören. Aber eine Befragung in Deutschland halte ich für falsch, auch wenn sie rechtlich möglich sein sollte.

Dann müsste die Vernehmung in Russland oder per Videoübertragung stattfinden. Die Opposition warnt mit dem Argument, unter diesen Umständen könne Snowden nicht frei reden. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Die Situation von Herrn Snowden in Russland können wir von hier aus nicht abschließend beurteilen und daher auch nicht sagen, inwieweit er in der Lage und gewillt sein wird, sich gegenüber unserem Ausschuss frei und umfangreich zu äußern. Ich glaube nicht, dass die erste Befragung von Herrn Snowden auch die letzte sein wird. Wir verschaffen uns selbst einen Eindruck.

Edward Snowdens Asyl in Russland soll aber mit der Auflage verknüpft sein, den Beziehungen zu den USA nicht weiter zu schaden. Sobald er vor den Mitgliedern des deutschen Untersuchungsausschusses auspackt, könnte aber genau das passieren …

Die Grundlagen des ihm in Russland gewährten Asyls sind uns allen doch nur vom Hörensagen bekannt. Wir gehen daher davon aus, dass Herr Snowden anwaltlich gut beraten wird und wir sind bemüht, ihm für seine Entscheidung alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Womöglich entgehen dem Ausschuss wichtige Informationen, wenn Deutschland diesem Zeugen kein Aufenthaltsrecht anbietet. Das würden Sie in Kauf nehmen?

Wenn Snowden nach Deutschland kommen will, werden wir das juristisch bewerten. Die Grundlagen sind bekannt. Wir haben ein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und wir haben eine klare Asylgesetzgebung. Die Bundesregierung hat sich bekanntermaßen positioniert. Ich kann mir aber sehr gut eine Befragung per Video und später auch eine Reise zu Snowden vorstellen, wo auch immer er dann sein wird.

Solange er in Russland ist, müssen Sie sich mit den russischen Regierungsstellen abstimmen. Wie soll das angesichts des aktuellen Konflikts um die Ukraine klappen?

Bisher funktioniert unsere Zusammenarbeit mit Russland in Afghanistan und in der Zentralafrikanischen Republik uneingeschränkt. Deshalb sehe ich bislang auch kein Problem dabei, Snowden in Russland anzuhören.

Einerseits Sanktionen gegen Russland unterstützen, andererseits aber Amtshilfe für die Snowden-Vernehmung erbitten – das klingt nach einem enormen Spagat.

Wenn die Opposition Snowden unbedingt anhören will, dann müssen wir uns über die konkreten Modalitäten unterhalten.

Laut dem Gutachten der Bundesregierung könnte Moskau verlangen, an einer Snowden-Vernehmung in Russland teilzunehmen. Käme für Sie eine Befragung im Beisein des russischen Geheimdienstes in Frage?

Das muss man in aller Ruhe klären. Ich glaube, hier gibt es auch Verhandlungsspielraum. Wir werden hierüber noch im Untersuchungsausschuss beraten.

Heißt das, Sie fordern eine Befragung ohne russische Teilnehmer?

Snowden hat vermutlich ohnehin die ganze Zeit russische Begleiter dabei. Ich sähe da kein Hindernis, erwarte aber vor allem, dass Herr Snowden auch in dieser Situation vonseiten seiner Anwälte beraten und begleitet wird.

Welche Anforderungen stellen Sie an eine Video-Befragung?

Eine Video-Befragung durch den Untersuchungsausschuss des Bundestags würde vermutlich als geheim oder zumindest als vertraulich eingestuft – also wäre eine entsprechend geschützte Fernmeldeverbindung notwendig.

Müssen Sie nicht damit rechnen, dass dann trotzdem der russische Geheimdienst mit in der Leitung hängt?

Solche sicheren Verbindungen werden täglich durchgeführt – zum Beispiel zwischen Firmen und ihren ausländischen Niederlassungen oder zwischen diplomatischen Einrichtungen. Aber selbst wenn der russische Geheimdienst mit in der Leitung sitzen sollte, was ich nicht ausschließen kann, hätte das keinerlei Auswirkungen.

INTERVIEW: ASTRID GEISLER