Betreten auf eigene Gefahr

Anleitung für Einsteiger: In sechs Schritten zum Umnutzer

1. Gebäude suchen

Gehen Sie durch die Stadt und halten Sie Ausschau nach leerstehenden Gebäuden. Eins gefunden? Dann sehen Sie jetzt genauer hin: Finden Sie irgendwo ein Schild mit der Aufschrift „Denkmalschutz“? Falls ja, entfernen Sie sich zügig. Schließlich haben Sie eine Umnutzungsvision! Und diese sollte nicht bereits an den Regeln des Denkmalamtes scheitern. Suchen Sie woanders nach einem geeigneten Objekt.

2. Besitzer suchen

Schönes Haus gefunden, was auch leer zu sein scheint? Fragen Sie beim Grundbuchamt nach, wem es gehört. Vielleicht haben die jetzigen Eigner kein Interesse mehr an dem Objekt? Rufen Sie an und finden Sie es heraus. Seien es Privatmenschen oder der Staat: Laden Sie die Besitzer ein zur Besichtigungstour. Vorher genauestens alle Mängel ausfindig machen, diese dann in einer Excel-Tabelle dem Besitzer aushändigen. Jetzt loslegen mit den Kaufpreisverhandlungen!

3. Kredit beantragen

Ok, das Haus ist alt, der Putz fällt von den Wänden, die Treppen sind nicht ohne nachfolgende spektakuläre Stürze zu betreten, doch Sie haben eine Vision! Halten Sie daran fest. Machen Sie Visualisierungsübungen: Einfach vor das Gebäude stellen, Augen zu und jedes Detail so vorstellen, wie es künftig aussehen soll. Dann Augen öffnen, Vision kurz auf Realitätsanspruch checken und für gut befinden. Jetzt zum Termin mit ihrem Bankfilialleiter. Oder zu Freunden, Verwandten und noch-so-fernen Bekannten: Legen sie los, lassen Sie alle an ihrem Traum teilhaben. Dann erklären Sie sachlich die Vorteile, die für die potentiellen Geldgeber herausspringen (Ruhm, Ehre, gutes Gewissen) und fragen Sie nach finanzieller Unterstützung. Nehmen Sie alles, was sie kriegen können: Jeder Pfennig zählt!

4. Der Umbau

Sie haben das Geld für den Gebäudeumbau halbwegs zusammen? Rufen Sie ihre Freunde noch mal an und nutzen Sie ihr Netzwerk: Jeder kennt irgendwen, der vor dem Architekturstudium mal eine Dachdeckerausbildung oder Tischlerlehre gemacht hat. Versprechen Sie Freibier für die Zeit des Umbaus, kostenlosen Eintritt auf Lebenszeit und viel Spaß mit allen alten Kumpels von damals. Vergessen Sie nicht zu erwähnen, wer sich schon alles bereit erklärt hat mitzumachen: Gruppenzwang funktioniert immer, psychologische Tricks sind erlaubt.

5. Das Bauamt

Das Gebäude ist soweit fertig, sie müssen nur noch einziehen? Stellen Sie sich gut mit dem örtlichen Bierlieferant und halten Sie ihre Handwerkerfreunde bei Laune. Nach dem Besuch des Bauamtes wird es noch viel zu tun geben: Decken sind um 2 cm zu erhöhen und Kloschüsseln um 0,5 cm zu senken. Verlassen Sie sich drauf: Das Bauamt ist eine Institution, die mitreden will. Die werden schon was finden. Servieren Sie den Bauamtsmenschen Käsekuchen, seien Sie entgegenkommend. Viele Regeln werden Ihnen absurd vorkommen, doch bleiben Sie ruhig und denken Sie an ihre Vision!

6. Die Umnutzung

Sie sitzen in ihrem neueingerichteten Büro und starren den Computer an? Nix da. Jetzt geht es erst richtig los: Ihre Vision muss mit Leben gefüllt werden! Malen sie großflächige DIN A0-Plakate und verteilen Sie diese in der ganzen Stadt. Die Strafe für unbefugtes Plakatieren zahlen sie später, wenn der Laden erstmal läuft. Rufen Sie alle Zeitungen an, am besten mehrmals täglich: Berichten Sie von der großartigen Veranstaltung, die in ihrem Gebäude stattfinden wird, lassen Sie sich zu Interviews einladen. Denken Sie sich vorher möglichst wohlklingende Theorien aus, die ihre Idee unterstützen. Folgende Satzkonstrukte können helfen: „Synthese des Gestern und Heute“, „Neue Lesbarkeit alter Strukturen“, „Form und Funktion ins Heute transportiert“ und das alles erlebbar gemacht für die Besucher. Die brauchen Sie schließlich, um die Kredite zurückzuzahlen.

Alles erledigt? Gut. Machen Sie sich einen Tee, setzten Sie sich an ihr frisch umgenutztes Fenster und genießen Sie die Aussicht. Jetzt heißt es hoffen und warten, dass ihre Vision Zuspruch findet. Wir wünschen: Viel Glück!

Veronika Wallner