die taz vor 13 jahren über den chef der klima-enquetekommission und dessen atomaren sinneswandel
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Ein CDU-Bundestagsabgeordneter, kein Hinterbänkler, aber auch kein Vorturner seiner Fraktion, bricht eine Lanze für die Atomkraft. Wahrlich keine Sensation. Eher eine Meldung für den redaktionellen Papierkorb. Doch Klaus Lippold spricht zu uns als Vorsitzender der Enquetekommission „Schutz der Erdatmosphäre“. Und das macht seinen bedingungslosen Einsatz für die nukleare Stromerzeugung zum Signal.

Lippold zieht den Schlußstrich unter einen seit Jahren nur noch von der Atomlobby bestrittenen und maßgeblich von der Klimakommission in der Öffentlichkeit verankerten wissenschaftlichen Konsens: Als Antibiotikum gegen die steigende Fieberkurve unseres Planeten ist die Atomenergie ein eher ungeeignetes Mittel. Im Vordergrund jeder Therapie stehen Energiesparen, Effizienzsteigerung, regenerative Energiequellen.

Wie kaum ein anderes Gremium des Bundestages erwarb sich der parlamentarische Klimazirkel seit seiner Installation Ende 1987 hohes Ansehen – diesseits und jenseits der nuklearen Barrikade. Bienenfleißig und unter Wahrung einer wohltuenden Distanz zum gemeinen Parteiengezänk erarbeiteten die Mitglieder die Grundlagen möglicher Pfade aus der Klimakrise. Der Atomenergie wiesen sie den Stellenwert zu, der ihr zukommt: unter „ferner liefen“. Lippolds Kehrtwende kommt nicht von ungefähr. Sie hat wenig zu tun mit den eben gescheiterten Gesprächen für einen neuen Energiekonsens. Dafür um so mehr mit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Klaus Lippold macht aus einer seriösen Enquetekommission zum Schutz der Umwelt eine unseriöse zum Schutz des „Standorts Deutschland“. Gerd Rosenkranz

10. 11. 1993