CHRISTIAN BUSS DER WOCHENENDKRIMI
: Lesben unterm Hirschgeweih

Am Haken hängen geschossene Rehe, auf dem Boden liegt erfroren der kleine Mark. Der Tod des Jungen in der Kühlkammer eines Jagdhofs lässt die unterdrückten Ressentiments der Nachbarn explodieren. Sie wettern gegen die Hofbesitzerin Iris Findeisen (Anna Schudt), bei der das Unglück passierte. Denn die hatte schon länger eine Affäre mit der Tischlerei-Erbin Nadja Bürger (Katharina Lorenz), der Mutter des toten Kindes.

Eine schwierige Aufgabe haben sich Regisseur Thomas Jauch und die Autoren Hans Werner und Peter Goslicki gestellt: Sie versuchen, das lesbische Coming-out-Drama als kleinbürgerliches Trauerspiel zu erzählen. Zwischen Schützenvereinen mit Hirschgeweihen an der Wand und voll vertäfelten Speisezimmern erscheint die queere Emanzipation nun mal besonders leidvoll. Der aufgebrachte Ehemann Nadja Bürgers sieht sich vor seinen Schützenkameraden gedemütigt, die Mutter 130 Jahre Familienfirmengeschichte den Bach runtergehen.

Doch als Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt) den interfamiliären Frontverlauf unter die Lupe nehmen, zeigen die meisten Figuren Widersprüchlichkeiten, bringt der Kindsvater unter Schmerzen einen gewissen Respekt für seine Frau auf. Trotzdem hält bald Grobschlächtigkeit Einzug: Die Trauernden poltern und pöbeln, für stillere Momente des Schmerzes ist kein Platz. Was leise begann, wird zum plakativen Spießer-Bashing.

So wirken dann auch die Exkurse in die Hartz-IV-Tristesse mit der Tochter von Kommissar Schenk bald schal: Auf der Arbeitsagentur sieht man, wie sie der Tyrannei einer Beamtin ausgesetzt ist – bis Vati hilft. Da nimmt der Kölner „Tatort“, der ja gerne düstere Stoffe aufgreift, um diese dann mit den beiden knuffigen Ermittlern ins Feelgood-Movie zu drehen, mal wieder eine geschmacklose Wende. Motto: Lieber auf Hartz IV mit ’ner knorken Familie als reich im Kleinbürgergrab enden.

Köln-„Tatort“: „Familienbande“; Sonntag, 20.15 Uhr, ARD