„K 21“ gegen „S 21“ gegen „K 21“ und wo das Ganze?

GLEISE Ein Buch über die deutsche Bahnhofsbefindlichkeit. Oben? Unten? – Ein Vorabdruck

VON HARRY ROWOHLT

Früher war Ruhe, die Sackbahnhöfe hießen Sackbahnhöfe, und das zu Recht. Dann fing der Hauptbahnhof von Frankfurt am Main an zu maulen, er wolle nicht mehr Sackbahnhof heißen, sondern Kopfbahnhof. Gut, hieß er eben Kopfbahnhof. Da wollten die anderen Sackbahnhöfe natürlich auch Kopfbahnhof heißen. Gut, hießen sie eben auch Kopfbahnhof. Sogar der Stuttgarter Sackbahnhof, der von dem Gemaule gar nichts mitgekriegt hatte, hieß jetzt Kopfbahnhof und war hochzufrieden. „Kopfbahnhof, Kopfbahnhof“, dachte er noch, und dann war wieder jahrzehntelang Ruhe. Dann sollte der Stuttgarter, äh, Kopfbahnhof unter die Erde verlegt werden und Durchgangsbahnhof werden. „S 21“ hieß das Projekt. Da dachte der Stuttgarter Kopfbahnhof: „S 21? S wie Sack? Ohne mich!“ Dies Projekt wiederum hieß „K 21“. Dies alles fand aber immer schon im Geheimen statt, denn nirgends im Stuttgarter Hauptbahnhof ist auch nur ein einziges Schild angebracht, auf dem z. B. „Stuttgart Hbf“ steht. „Steht doch draußen dran“, weisen einen die Stuttgarter zurecht. Das stimmt, aber vor dem Bahnhof weiß man ja längst, dass man in Stuttgart ist, da will man ja längst wieder weg, sonst wäre man ja nicht zum Bahnhof gegangen. Und wenn man dann weiterfährt oder auch nur weg und einen Blick zurückwirft, steht auch völlig korrekt „STUTTGART HBF“ dran, und man ist heilfroh, dass man Stuttgart verlassen hat und nicht was anderes. Da könnte sich der Stuttgarter Hauptbahnhof an Osnabrück ein Beispiel nehmen. Da steht nicht nur „Osnabrück Hbf“, sondern auch noch „Zentrum im Osnabrücker Land“. Oder „Hamburg Dammtor“. Da steht noch „Messe- und Congress-Stadt Hamburg“. Congress. Was zeigt, dass nicht nur Stuttgart den Arsch sperrangelweit offen hat.

PS: Dass „S 21“ die durch den unvorhersehbaren Ausbruch des II. Weltkriegs unterbrochene Vollendung des Nazi-Projekts der gleisfreien Innenstädte ist, die man für Autos und Aufmärsche brauchte (woran immerhin der Mercedes-Stern auf dem Bahnhofsturm erinnert), das, äh, braucht uns nicht zu kümmern.

„Oben bleiben!!!“ Manifeste und Bilder des Protests. Kein & Aber, Zürich 2010, 208 Seiten, 10 Euro