VIEL SELBSTMITLEID SCHWINGT MIT, WENN ISRAELIS AUF EUROPA UND NACH BRÜSSEL SCHAUEN. DAS GILT – POLARISIEREND – FÜR RECHTE WIE LINKE
: „Wo sind die Antisemiten, wenn man sie braucht“

SUSANNE KNAUL

Israels Medien berichten immer nur dann über Europa, wenn Kritik aus Brüssel kommt, oder wenn es um Geert Wilders, die Le Pens und um Ungarn geht. „No news“ vom benachbarten Kontinent sind „good news“. So jedenfalls ist die Perspektive des rechtsnationalen Lagers. „Die Israelis haben es aufgegeben, gute Nachrichten aus Europa zu erwarten“, erklärt Prof. Schmuel Sandler von der religiös-zionistischen Bar-Ilan-Universität den allgemeinen Phlegmatismus hinsichtlich der EU-Wahl. Ganz egal wer gewinnt, „wir sind doch immer die Bösen“, so das Motto.

Im linken Friedenslager konzentriert sich dagegen die letzte Hoffnung auf Rettung vor der eigenen friedensunwilligen Regierung auf Europa. Nach der Abfuhr, die Israel und die Palästinenser US-Außenminister John Kerry verpassten, rechnet sobald niemand mehr mit amerikanischem Engagement im nahöstlichen Konflikt. „Wo sind die Antisemiten, wenn man sie braucht“, fragt mit einem lachenden und einem weinenden Auge der frühere Meretz-Chef Jossi Sarid. Als EU-Parlamentspräsident Martin Schulz vor der Knesset einen Eklat auslöste, weil er gleiche Rechte für die Palästinenser forderte, kristallisierten sich die israelischen Fronten einmal mehr. Die Rechten zürnten und von links kam Applaus.

Viel zu oft und immer ungerecht fühlt sich Israels konservative Regierung von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton gerügt. „Während die Welt mit der Krise in der Ukraine ringt und Unschuldige in Syrien abgeschlachtet werden, erkennt Ashton die wahre Gefahr für den Weltfrieden in Israels Aktionen gegen die Palästinenser“, höhnte Außenminister Avigdor Lieberman. Dass die Amtszeit der EU-Außenbeauftragten mit der bevorstehenden Wahl endet, freut auch Gerald Steinberg, ebenfalls Professor an der Bar-Ilan-Universität. „Wenn Ashton abtritt, werden sich die Beziehungen wieder entspannen“, hofft Steinberg, Gründer des „NGO Monitors“, der vor allem Israelkritische Nichtregierungsorganisationen und ihre Finanziers unter die Lupe nimmt. Der Experte für internationale Beziehungen baut darauf, dass die EU die Finanzierung der Autonomiebehörde und „propalästinensischer NGOs überdenkt“.

Europa müsse endlich aufwachen, findet sein Kollege Sandler, und merken „dass das Problem des radikalen Islam nicht nur unseres ist“. Das Argument, man könne aufgrund der Vergangenheit nichts gegen die Muslime unternehmen, empfindet er als Vorwurf. „Also haben wieder wir Juden Schuld.“

Rechts klebt fest am Monopol des Opfers, links mahnt und fleht. Der schwerfällige Körper der europäischen Nationen möge sich endlich in Bewegung setzen. Nicht auf Zuckerbrot, sondern auf die Peitsche reagiere die Regierung, meint Barak Ravid, politischer Korrespondent der liberalen Haaretz. „Nach 20 Jahren spielt Europa zum ersten Mal eine Rolle.“ Auf die Nachwuchspolitiker setzen Israels Linke, auf die jungen Europäer, die sich loslösen von der Nazivergangenheit. Schon frohlockt der Blogger Noam Sheisaf: „Ich glaube nicht, dass Europa uns diesmal davonkommen lässt.“