Mittagessen mit Ole und Thomas

Voreilig wurden die Top-20 Europas als Nahziel des HSV verkündet. Der Weg dorthin ist steinig, die Abkürzung verspielt. Nun sollen auf dem „Hamburger Weg“ neue Sponsoren gewonnen werden

VON ANDREAS BOCK

„Atouuuba! Atouuuuba!“, tönt es aus mehr als 100 Kinderkehlen. Schon nach wenigen Minuten ist klar, wer der Favorit in der Grundschule Mümmelmannsberg ist. Der Kameruner grinst in seine persönliche Fankurve und balanciert den Ball artistisch auf dem Kopf. Zehn Spielerinnen der „Fußball-Mädchen“ hüpfen um ihn herum. Endlich mal Applaus, glückliche Kinderaugen und dankbare Fans.

Als der Schlusspfiff der Trainingseinheit „Jungs gegen Mädchen“ ertönt, stürmen die Kinder auf den Rasen, umzingeln Juan Pablo Sorin und Thomas Doll. Heute ist der erste öffentliche Auftritt des HSV im Rahmen des „Hamburger Wegs“. Heute sind die Stars ganz nah, zum Anfassen. Sie sind in Billstedt. Dort, wo viele Kinder ihre Stars nur aus dem Fernsehen kennen.

„Der Hamburger Weg ist ein Versuch, Sportmarketing mit guten Taten zu verbinden“, sagt Guido Geist, Pressereferent im Hamburger Senat. In Zusammenarbeit mit der Stadt will der HSV Sponsoren akquirieren und einen Teil der Gelder karitativen Einrichtungen zukommen lassen. Die Spenden sollen dabei Projekten zugute kommen, die keine regelmäßige finanzielle Unterstützung bekommen.

Die „Mittagskinder“ sind das erste Projekt, das sich die Verantwortlichen ausgesucht haben: „Die Stiftung schafft Rückzugsräume in den Vierteln, wo man zusammensein kann“, sagt Geist. Die Kinder kochen und essen gemeinsam und erleben so eine Regelmäßigkeit und Gemeinschaft, die sie in der eigenen Familie nicht kennen.

Im Anschluss an das Trainingsspielchen wird gemeinsam im Billstedter „Kindertreff“ zu Mittag gegessen – auch Ole von Beust, Schirmherr des „Hamburger Wegs“, ist gekommen, um die neue gespendete Küche des „Kindertreffs“ einzuweihen. Thomas Doll sitzt etwas verloren auf einem kleinen Höckerchen am Rand, von den Profis hat nur noch der Argentinier Sorin Hunger: Es gibt Hackbällchen mit Spätzle. Dazu Gurken, Paprika und eine Tomaten-Sahne-Soße.

Kevin, neun Jahre alt, darf zwischen Ole und Juan Pablo sitzen. Er ist begeistert. „Probleme mit der Sitzordnung hat es nicht gegeben“, versichert eine Erzieherin. Die Kinder seien einfach froh gewesen, dass „so etwas Aufregendes passiert“.

Der Marketing-Charakter dieses Projekts ist nicht vollständig von der Hand zu weisen. Auch weil der HSV über die Spendenbeträge Stillschweigen bewahren will, – diese würden in Relation zu den geflossenen Sponsorengeldern wohl doch zu marginal erscheinen – fällt es leicht das Projekt als reine PR-Maßnahme zu verurteilen.

Jörn Wolf, Pressesprecher des HSV, weist aber darauf hin, dass der „Hamburger Weg“ schon seit langem geplant war: „Das Projekt ist keine Reaktion auf die sportliche Talfahrt, um schnell im Vorbeigehen Sponsorengelder einzustreichen.“

Dass der „Hamburger Weg“ und der Schulterschluss mit der Stadt dem HSV gut zu Gesicht steht, glaubt auch Guido Geist: „Gerade in der Stiftungshauptstadt Hamburg hat soziales Engagement lange Tradition.“ Der HSV mache sich durch den „Hamburger Weg“ wieder attraktiv für Sponsoren.

Ob dadurch auch der sportliche Weg des HSV wiedergefunden werden kann und das Nahziel „Top-20 Europas“ erreicht werden kann, bleibt unbeantwortet. Auch momentan schießt Geld in Hamburg keine Tore: Der HSV rangiert in der UEFA-Rangliste auf Platz 77 – knapp vor Heerenveen und Wisla Kraków.