Sekt oder Sellars

Die Kulturhauptstadt Ruhrgebiet soll einen künstlerischen Leiter bekommen. Das steht fest. Doch: Wer wird es? Peter Sellars? Wohl nicht. Der Theaterregisseur möchte sich nicht fest einbinden lassen

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Was soll Peter Sellars denn nun machen im Ruhrgebiet? Generalintendant der Kulturhauptstadt wird er nicht, das wurde bereits bekannt. Was also dann? Darüber wünschte am Mittwoch die SPD im Landtag Klarheit – und hakte nach. Europa-Minister Michael Breuer erkärte jedoch nur noch mal, dass man Sellars nicht – wie es auch im Gespräch war – für ein so genanntes Festival im Festival engagieren werde. Gespräche würden allerdings geführt; deren Ziel Breuer aber offen ließ. Wohl aus gutem Grund.

Denn dass Peter Sellars neben dem designierten Geschäftsführer der eigens gegründeten Ruhr 2010 GmbH, dem Essener Kulturdezernenten Oliver Scheytt, den zweiten Geschäftsführer geben und das Künstlerische koordinieren wird – auch das ist offenbar vom Tisch. Wie die taz erfuhr, hat der amerikanische Theaterregisseur den Posten bereits abgelehnt. Es heißt, er wolle sich nicht in ein solch enges Organisationsmodell einbinden lassen. Dass trotzdem weiter mit ihm verhandelt wird, hat zwei Gründe: Einerseits hoffen die vier Gesellschafter – Land NRW, Stadt Essen, Regionalverband Ruhr (RVR) und Initiativkreis Ruhrgebiet –, dass sich Sellars noch umentscheidet. Oder, zweitens, wenigstens für einzelne Projekte gewonnen werden kann.

Auch wenn nicht alle der Ansicht sind, dass es unbedingt ein Prominenter aus der Ferne sein muss, der diesen Job erledigt. „Wir sind ja auch aus eigener Kraft Kulturhauptstadt geworden – und haben hier hervorragende Leute“, sagte beispielsweise Detlef Feige von der Stadt Essen. Auch die Kulturdezernenten der Städte Bochum und Dortmund hatten bereits davor gewarnt, zu sehr auf Kräfte von Außen zu setzen. Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff sieht das eher anders: Es könne auch nicht nur das Schmoren im eigenen Saft sein, soll er gegrummelt haben. Eine recht sichere Option ist demnach, dass Sellars zumindest für Auftragsarbeiten engagiert wird, mit denen er das Kulturhauptstadtjahr 2010 bereichern soll. Mögliches Thema der Projektarbeit: Migration. Zumindest darüber herrscht Einigkeit bei den Gesellschaftern.

Doch zunächst muss das Gerüst stehen. Nachdem Anfang der Woche der Europäische Rat offiziell grünes Licht gegeben und die Empfehlung der von ihm eingesetzten Jury bestätigt hat, geht es nun daran, die Gesellschaft Ruhr 2010 einzurichten, also Strukturen zu schaffen, um hernach konkrete Projekte zu verwirklichen. Ein Budget von 47,5 Millionen Euro steht dafür zur Verfügung. Den mit je 12 Millionen größten Teil steuern der RVR und das Land bei, 9 Millionen kommen vom Bund, 8,5 vom Initiativkreis und 6 Millionen aus dem Essener Stadtsäckel.

Bedeutet also, dass neben den Gesellschaftern noch ein weiterer Spieler auftritt: der Bund. Dass sich dieser, bei aller ohnehin bestehenden Verwirrung, auch noch in die Sellars-Diskussion oder andere Dispute einmischt, ist wenigstens nicht zu befürchten. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sagte der WAZ, man wolle sich dieses Mal darauf beschränken, das Ruhrgebiet zu unterstützen. Und nicht, wie noch 1999, als Weimar Kulturhauptstadt war, als Mitglied in der Betreibergesellschaft mitwirken. Eine weise Entscheidung. Sonst würde alles noch komplizierter.