TROPISCHE MISCHUNGEN
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■ Mestre Cupijo: Siriá (Analog Africa)

Amazonas-Gebräu

Anders als es der Name seines Labels nahelegt, schürft der Reissue-Goldgräber Samy Ben Redjep von „Analog Africa“ auch in Südamerikas nach fast vergessenen Aufnahmen. In Brasilien ist er jetzt wieder mal fündig geworden. Mestre Cupijo war ein Musiker aus dem nordöstlichen Bundesstaat Pará an der Mündung des Amazonas. In dieser Gegend hatten entflohene Sklaven während der Kolonialzeit versteckte Siedlungen und Wehrdörfer gebildet, Quilombo genannt, und sich mit indigenen Bewohnern des Regenwalds vermischt. Mestre Cupijo suchte diese Gemeinschaften auf, die zum Teil heute noch existieren, und adaptierte ihre Musik mit Mambo und anderen modernen Stilen zu einem explosiven Gebräu. Zwischen 1976 und 1982 veröffentlichte er sechs Studio-Alben und schrieb Klassiker, die heute noch den Karneval in seiner Heimatstadt Cametá antreiben. Im September 2012 starb er mit 76 Jahren. Der Sampler „Siriá“ macht seinen süchtigmachenden Sound fiebriger Dorffeste voller Schnaps und Ekstase erstmals einem breiteren Publikum zugänglich.

■ Quantic: Magnetico (Tru Thoughts)

Rauschhafter Mangroven-Groove

Auf der einen Seite kehrt der britische Produzent Will Holland alias Quantic auf seinem neuen Album „Magnetico“ zu seinen elektronischen Wurzeln zurück, schließlich ist er mit Breakbeats in Brighton groß geworden. Andererseits hat der 34-Jährige die vergangenen sechs Jahre in Kolumbiens Salsa-Kapitale Cali verbracht, sich dort ein Studio eingerichtet und das eine oder andere Latin-Orchester gegründet. Seiner Latin-Affinität bleibt er auch auf „Magnetico“ treu: rauschhafte Elektro-Beats verschmelzen mit dem mythischen Mangroven-Groove von der kolumbianischen Pazifikküste, verzerrte Bässe treffen auf verschleppte Akkordeone und Maraca- und Marimba-Geklöppel, spacige Club-Tunes wie „You will return“, auf scheppernde Roots-Loops und den eindringlichen Cumbia-Gesang der Sängerin Nidia Góngora. Das Beste aus beiden Welten, indeed.

■ Marinah: El Baile de la Horas (Montuno)

Polierter Rumba-Pop

Zehn Jahre lang war Marina „La Canillas“ Abad das Gesicht und die Stimme von Ojos de Brujos, dem Flamenco-HipHop-Kollektiv und Musterbeispiel für die Mestizo-Szene von Barcelona. Nach dem Split der Alternativ-Truppe hat sie ihren Vornamen um ein h ergänzt, den Rest abgeworfen und sich als Solo-Sängerin neu erfunden. Alle Stücke auf „El Baile de la Horas“ hat sie selbst geschrieben, noch immer weht ein Hauch der Rumba Catalana durch ihre Songs, doch die Ecken und Kanten sind abgeschliffen. Ihr andalusischer Gesang wirkt auf „El Baile de la Horas“ oft wie in Watte gepackt, die Produktion erstaunlich glattpoliert und poppig. Philipp Cohen Solal vom Gotan Project steuert für den Track „Quiero Ser Feliz“ ein paar Takte Elektro-Tango bei, auf „Te Gustó“ lässt sie sich von den Orishas-Rappern begleiten. Das Ergebnis ist luftig-leichter Latin-Pop. Doch der Selbstfindungsprozess ist wohl noch nicht abgeschlossen. DB