Klick und klack machen reicht nicht

Soul und Groove gehören für sie dazu: Während man Anja Schneider in Berlin als Radiomoderatorin kennt, ist in den letzten Monaten ein ganz schöner Wirbel um ihr Label Mobilee entstanden. Mit dem tourt sie jetzt durch die Clubs Europas. Ein Porträt

VON TIM CASPAR BÖHME

Um Anja Schneider und ihr Label Mobilee ist in den letzten Monaten ein ganz schöner Wirbel entstanden: Die ersten 14 Veröffentlichungen wurden in der Techno-Fachpresse enthusiastisch gelobt, die Zeitschriften De:Bug und Groove widmeten Mobilee mehrseitige Artikel, und internationale DJ-Stars rufen öfters an, um zu sagen, wie toll die letzte Platte wieder war.

Auch wenn sie längst ein gestandener Radio- und DJ-Profi ist, wirkt Anja Schneider, auf diesen Erfolg angesprochen, fast ein bisschen schüchtern. Man könnte meinen, ihr sei der ganze Trubel nicht so ganz geheuer. „Wir müssen erst einmal abwarten“, sagt sie – und betont, die Leidenschaft für die Musik sei für sie nach wie vor das Wichtigste. Keine Allüren, keine großen Posen.

Ihre Begeisterung für House-Musik verdankt die aus dem Rheinland stammende Labelchefin keinem Geringeren als Hans Nieswandt. Der legte an einem Abend im Jahre 1989 im Kölner „Rave“ auf, und als sie sah und hörte, was da vor sich ging, dachte Schneider: „Was macht der denn? Der mischt lauter Platten ineinander, die ich überhaupt nicht kenne!“ Damit war ihre bis heute ungeminderte Leidenschaft für House und Techno geweckt.

Eine Leidenschaft, die sie 1994 nach Berlin führte – nach einem Abend im Tresor stand für sie fest: „Ich muss in diese Stadt!“ Hier kam sie dann eher zufällig zum Sender Kiss FM und drei Jahre später zu Radio Fritz, wo sie zunächst für Live-Übertragungen aus Berliner Clubs zuständig war. Nach einigem Zögern moderierte sie schließlich 2000 mit „Dance Under the Blue Moon“ ihre erste Sendung selbst. Sie wurde bei Radio Fritz beinahe dazu gedrängt, ihr Wissen endlich auch einmal als Moderatorin zu nutzen. „Ich hatte zuerst große Angst, mich zu versprechen oder die falschen Tasten zu drücken“, erinnert sie sich.

Solche Unsicherheiten traut man Anja Schneider eigentlich gar nicht zu, denn auf dem Papier scheint ihre Biografie mit großer Entschlossenheit einem Masterplan zu folgen: erst Radiomoderatorin, dann DJ, schließlich Produzentin und Chefin ihres eigenen Labels. Doch ergaben sich die Dinge eher beiläufig und ganz allmählich. „Ich bin froh, dass es so gekommen ist und ich vorher Erfahrungen sammeln konnte. Das war besser, als wenn alles auf einmal und schon in ganz jungen Jahren passiert wäre.“ Die Erfahrung kommt Schneider dann sowohl bei der Auswahl ihrer Künstler als auch beim Produzieren ihrer eigenen Tracks zugute: „Ich achte auf Qualität, und da ich lange im Geschäft bin, weiß ich, was ich will.“

Die jungen und meistens zuvor noch völlig unbekannten Künstler bei Mobilee hat sie zum großen Teil beim Durchhören der ihr zugesandten Demos entdeckt. Die Musik muss für sie dabei Soul und Groove haben, vor allem aber auch „Herz und Harmonie“, denn: „Einfach klick und klack machen reicht nicht.“ Überdies, erklärt Anja Schneider, tendiere sie dazu, „die Leute an ihre Grenzen zu bringen“. Mit dem Ergebnis, dass ihre Entdeckungen Pan-Pot und GummiHz bei Mobilee schon binnen kürzester Zeit einen eigenen Stil herausgebildet haben.

Dementsprechend schwierig ist es, den Stil des Labels, das Anja Schneider seit Frühjahr 2005 gemeinsam mit ihrem Musikerkollegen Ralf Kollmann betreibt, auf einen Begriff zu bringen. Mehr im Scherz hat Schneider von einem Bekannten die Bezeichnung „rave-tested minimalism“ übernommen – dabei passt sie auf ihren eigenen, gemeinsam mit dem Berliner Produzenten Sebo K produzierten Club-Hit „Rancho Relaxo“ sogar ziemlich gut. Hier trifft die kühle Eleganz von Synthieflächen auf ein kurzes, verspielt hingetupftes Motiv und sorgt in Kombination mit stoischen Beats für schönste, peinlichkeitsfreie Ekstase.

Andere Künstler des Labels setzen derweil weitaus dunklere Akzente. Pan-Pot bringen mit ihren nervös pulsierenden Stücken, in denen schon mal verzerrte Klänge durch große Räume hallen, eine eher unheimliche Atmosphäre auf die Tanzfläche. Das Berliner Trio wird als erster Act bei Mobilee 2007 ein eigenes Album produzieren.

Gegenwärtig reisen Anja Schneider und ihre Labelkollegen erst einmal quer durch Europa: Mit ihrer „Back to Back“-Tour feiern sie das Erscheinen der ersten, gleichnamigen Mobilee-Werkschau. Die Tournee wird sie sowohl in den Offenbacher Club Robert Johnson als auch in Städte wie Barcelona, Paris, Manchester oder Florenz führen. Ein Abend im Berliner Watergate steht natürlich auch im Tourkalender – allerdings erst im Januar. „Manchmal ist es ganz gut, nicht so oft in Berlin zu spielen“, sagt Anja Schneider. „Vor allem, wenn man Gelegenheit hat, die Welt kennen zu lernen.“ Eine Offenheit und Zurückhaltung, wie man sie sich bei manch anderem Berliner manchmal ebenfalls wünschen würde.

„Back to Back“ (Mobilee Records) www.mobilee-records.de