Das Muckezentrum

Konzerthaus, Jazzclub, Orchesterzentrum: Dortmund will sich als Musikstadt behaupten. Deshalb bereitet Kulturdezernent Stüdemann nun das nächste kulturelle Großprojekt vor – eine „Music Mall“

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Das so genannte Brückviertel in Dortmund galt früher nicht gerade als schönste Gegend der Stadt. Trist war es hier, etwas verlottert, und vor allem für jene Menschen der richtige Ort, die Gefallen an Ramsch fanden, also an Kunstlederjacken oder Wasserpfeifen in Totenschädelform. Dass Anfang des Jahrtausends ausgerechnet hier ein piekfeines Stück Hochkultur hingepflanzt wurde, sorgte in der Stadt zunächst für Irritation. Ein nobles Konzerthaus? An der Brückstraße? In der Tat. Und die Erneuerung der Straßenzüge obendrein, weshalb die Stadt das Brückviertel nunmehr als „eindrucksvolles Beispiel gelungener Stadtteil-Sanierung“ preist.

Popakademie Dortmund?

Ramsch findet man zwar auch heute noch hier, aber immerhin: Adretter als vorher ist es geworden. Und der Wandel geht weiter. Nachdem sich inzwischen auch der Jazzclub „domicil“, eine landesweit renommierte Adresse, im Brückviertel niedergelassen hat, sollen hier künftig auch das Orchesterzentrum NRW und die Chroakademie eine neue Heimat finden. Das größte Projekt aber, das der Dortmunder Kulturdezernent Jörg Stüdemann derzeit plant, ist eine „Music Mall“ – gewissermaßen ein Einkaufszentrum für Musikbedarf.

Auf mehreren tausend Quadratmetern will der Sozialdemokrat Unternehmer aus der Branche versammeln: Musikalienhändler, Licht- und Tontechniker, Musikagenturen, Fanartikel-Vertriebe, Clubs, und bestenfalls auch Musikmagazine wie Visions und Rock Hard, die beide in Dortmund erscheinen. Als weitere Komponente plant Stüdemann ein Gründerzentrum für den Nachwuchs, ja selbst über die Einrichtung einer Popakademie, wie sie in Mannheim existiert, wird in Dortmund bereits nachgedacht, allerdings eher vage.

Das Konzept der „Music Mall“ sei in Japan und Großbritannien weit verbreitet, erzählt der Kulturdezernent. Und dann kommt ein Satz, den er seit Jahren gerne wiederholt. Er sagt: „Dortmund soll eine Musikstadt werden“, auch wenn er vorsichtig damit ist, der anderen Städte wegen, die diesen Titel ebenfalls für sich beanspruchen, Köln zum Beispiel, oder Berlin. „Da tun sich Konkurrenzen auf“, sagt Stüdemann. Aber egal. Musikstadt. Das hat er sich in den Kopf gesetzt. Das wird jetzt gemacht.

Museum of Modern Music?

Zentrum der Musikstadt Dortmund soll freilich das Brückviertel werden, in dessen Nähe auch die „Music Mall“ entstehen soll. Wo genau, ist noch unklar. Vielleicht wird wie für Konzerthaus und Orchesterzentrum ein neues Gebäude aus dem Boden gestemmt, vielleicht ein altes umfunktioniert. Zunächst führt Stüdemann „Gespräche mit den ansässigen Branchenvertretern“. Aus deren Reihen bereits Interesse an einem derartigen Projekt zu vernehmen ist.

Gründerzentrum, Popakademie, Shopping-Center – die „Music Mall“ soll etliches umfassen. Nur was aus dem schon lange geplanten „Museum of Modern Music“ wird, dazu will sich derzeit niemand äußern. Ein vor einiger Zeit gegründeter Verein sollte die Entstehung des Museums vorantreiben – passiert ist bisher nichts. Dabei wäre mit der „Music Mall“ ein prädestinierter Standort gefunden, wenngleich bisweilen die Stahlwerkbrache Phoenix-West für das „MOMM“ vorgesehen war. Ein Grundstock existiert bereits: die Ausstellung „Macht Musik“, momentan in der Dortmunder Arbeitsschutzausstellung (DASA) zu sehen, sollte sozusagen das MOMM-Gründungsinventar werden. Doch ob das Museum letztlich zustande kommen wird? Fraglich.

Spätestens im Jahr 2010 soll die „Music Mall“ stehen – ein Datum mit Grund, denn 2010 ist das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas. Und auch wenn die Region als Ganzes antritt, will sich dennoch jede Stadt gut verkaufen – und vielleicht etwas zusätzliches Geld abschöpfen. Im benachbarten Bochum etwa soll bis 2010 ein Konzerthaus entstehen. Das hat Dortmund ja schon.