LONG PLAYING RECORD Jukebox - Der musikalische Aszendent

Zermatschte Kartoffeln in Hochgeschwindigkeit

Nichts ist einfach, wenn es um Aphex Twin geht. Innerhalb von 10 Jahren veröffentlichte der heute 35-Jährige mehr als 44 Tonträger auf Warp Records und seinem eigenen Label Rephlex, davon 14 Longplayer. Aphex-Twins-Musik verbindet Menschen, die ansonsten kaum Gemeinsamkeiten haben: Barfüßige Liebhaber drogenintensiver Open-Air-Festivals verehren ihn ebenso wie Menschen, die Social Networking ausschließlich per Internet betreiben.

Aphex Twin alias AFX wurde 1971 in Irland geboren, heißt eigentlich Richard Dick James und gehört zu den einflussreichsten Personen der internationalen Elektronica-Szene.

Will man aus Aphex’ hochfrequenten Schallplattenauswurf eine einzige Platte auswählen, hilft kein langes Nachdenken, sondern nur beherzt-spontanes Entscheiden. Denn über jede seiner Veröffentlichungen gibt es viel zu sagen.

Nehmen wir Hangable Auto Bulb von 1995. Die ursprünglich auf zwei EPs und 2005 auf CD wiederveröffentlichten 8 Songs markieren einen Wendepunkt in Aphex Twins künstlerischem Schaffen. Ambientspielereien (Selected Ambient Works I & II, 1992 und 1994) waren ihm genauso langweilig geworden wie sein so genannter AFX-Acid (Caustic Window, 1994). Er war an dem berüchtigten toten Punkt angekommen, von dem an manche Musiker stets das Ewiggleiche wiederholen würden, gefangen in statischer Ideenlosigkeit. Nicht so Aphex Twin. Getrieben von einer fast manischen kreativen Energie arbeitete er an der Weiterentwicklung seiner Sounds. Das vorläufige Ergebnis war Hangable Auto Bulb, eine Momentaufnahme: Aphex beim Basteln. Dröhnende Bässe, zerhackte Beats, zerschredderte Drumsounds, bruchstückhafte Melodien und krude Stimmsamples („I hate mashed potatoes“) in teils wahnsinniger Geschwindigkeit hintereinandermontiert, zeigen hier bereits an, was er auf den Folgealben konsequent ausformuliert: seinen experimentellen typischen AFX-Sound, der ihn für Scharen von Laptop-Musikanten zum Vorbild werden ließ.

Feldforschungsinteressierte Musikfans können sich von dieser Tatsache heute Abend auf der Rock-Paper-Scissor-Party im Maria am Ostbahnhof überzeugen. Ganz Neugierige treten bis zur Bühne vor, flüstern einem der Künstler ein leises „Why do you hate mashed potatoes?“ ins Ohr und warten, was passiert.

Veronika Wallner